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„Stuttgart benötigt mehr bezahlbaren Wohnraum“

Im Interview nimmt Stuttgarts neuer OB Dr. Frank Nopper Stellung zu Themen aus der Immobilienpolitik. Zur bekämpfung des Wohnraummangels meinte er, dass „bis 2025 die Anzahl an geschaffenen Wohneinheiten exponentiell zunehmen wird“. Die kommunale Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) werde dafür einen wertvollen Beitrag leisten.

Dr. Frank Nopper (CDU) ist seit Februar Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart und somit seit rund 125 Tagen im Amt. Der Wechsel an der Spitze der Stadtverwaltung war notwendig geworden, da Dr. Noppers Vorgänger Fritz Kuhn von den Grünen nicht mehr zur Wiederwahl angetreten ist.
In seiner Antrittsrede bekräftigte OB Dr. Nopper, er wolle gemeinsam mit dem Gemeinderat, der Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern „Stuttgart mit Mut, Liebe und Beharrlichkeit zum leuchtenden Stern des deutschen Südens machen.“ Er wolle sich mit „ganzer Kraft für diese großartige Stadt einsetzen, die meine Geburts‐ und Heimatstadt ist. Gemeinsam werden wir das stolze Stuttgarter Rössle nicht nur auf Trab, sondern sogar auf Galopp‐Geschwindigkeit bringen.“ Dazu benannte er ein Zehn‐Punkte‐Programm. Zu den Kernpunkten zählen die Verbindung von Ökonomie und Ökologie, ein ganzheitliches Verkehrskonzept, das alle Verkehrsmittel mit einbezieht, eine dynamische Digitalisierung der Stadtverwaltung mitsamt ihrem Bürgerservice, die Stärkung von Sicherheit und Sauberkeit, wie auch von Kunst und Kultur. Zu Stuttgart 21 führte er aus, dass es gelte, „den Blick nach vorne zu richten auf die riesigen städtebaulichen und verkehrlichen Chancen von Stuttgart 21. Das Projekt darf Stuttgart nicht länger spalten. Deswegen muss die Eröffnung von Stuttgart 21 auch ein großes Versöhnungsfest werden.“

Auch die Stärkung des Wohnungsbaus zählt zu den Eckpunkten seines Programms. Im Interview mit smartLiving nimmt er nun Stellung zu diesem weiten Themenbereich.

Dr. Frank Nopper
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart

Foto: Stadt Stuttgart, Pressestelle

Frage: Herr Dr. Nopper, Politiker aller Parteien sind sich in einer Sache einig: Bezahlbarer Wohnraum ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Sehen Sie das auch so?
Antwort: Stuttgart benötigt deutlich mehr Wohnraum, vor allem Wohnraum der bezahlbaren Art. Gerade in Zeiten von Corona hat sich gezeigt, wie wichtig angemessener Wohnraum ist – denkt man an HomeOffice. Die Rahmenbedingungen zur Schaffung von Wohnraum sind ungünstig, weshalb alle gemeinsam an einem Strang ziehen müssen: Bund, Land und Kommunen. Denn selbstverständlich entscheidet sich an der Frage des Wohnraums auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Frage: Gibt es Zahlen, wieviel Wohnraum in Stuttgart fehlt?
Dr. Nopper: Unstreitig ist, es fehlen Wohnungen. Wie viele es genau sind, darüber lässt sich je nach Perspektive trefflich streiten. Vieles hängt von der Einwohnerentwicklung ab. In Stuttgart ging die Einwohnerzahl im vergangenen Jahr um ca. 6.300 Personen zurück. Das Ausbleiben von Studierenden war hierfür genauso verantwortlich, wie der geringe Zuzug von Arbeitsuchenden aus dem Ausland. Eindeutiges Ergebnis der derzeitigen Situation unter Corona.
Wir wollen deshalb den Bedarf an Wohnraum analysieren, um eine verlässliche Grundlage zu haben. Ganz entscheidend ist dabei die Frage, wie sich die Wirtschaft entwickelt, und dabei geht es nicht nur um größere Betriebe, sondern um den Einzelhandel, die Gastronomie aber auch um kulturelle Einrichtungen, Bereiche also, die es gerade unter der Pandemie vor allem in finanzieller Hinsicht sehr schwer haben.

Frage: Wie wollen Sie hier dagegen steuern? Hat die Kommune darauf überhaupt einen konkreten Einfluss oder ist das alles eine Frage des Marktes?
Dr. Nopper: Es müssen alle gemeinsam – Bund, Land und Kommune – eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen, um die Frage nach ausreichendem Wohnraum zu lösen. Natürlich gibt es auch kommunale Steuerungsinstrumente, unter anderem in Form von Förderprogrammen für geringe und mittlere Einkommen. Auch die SWSG leistet einen wertvollen Beitrag zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und wird in den kommenden Jahren ihre Bemühungen auch nochmals deutlich intensivieren. Bis 2025 wird die Anzahl an geschaffenen Wohneinheiten exponentiell zunehmen.

Die Wohnraumpolitik hängt auch von der Zahl der Einwohner ab. Zuletzt ist sie um 6300 Menschen gesunken. Für Stuttgarts Oberbürgermeister ist dabei ganz entscheidend die Frage, wie sich die Wirtschaft entwickelt, und dabei gehe es nicht nur um größere Betriebe, sondern auch um den Einzelhandel, die Gastronomie aber auch um kulturelle Einrichtungen.

Foto: Günter E. Bergmann

Frage: Die Politik möchte es zudem erschweren, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Zieht die Stadt Stuttgart da mit?
Dr. Nopper: Mieter haben schützenswerte Interessen. Dennoch können Eigentümer unterschiedliche Gründe, zumindest in den meisten Fällen, für den Verkauf ihres Eigentums haben, bspw. der Wegzug oder eine Veränderung im Hinblick auf die Wohnungsgröße oder die Lebenssituation. Dies sollte nicht durch ein Gesetz erschwert oder behindert werden.

Frage: Es gibt Städte, die über eigene Wohnbaugesellschaften im Besitz von bis zu einem Viertel aller Mietwohnungen sind. Wie sieht das in Stuttgart aus und möchte die Kommune ihren Anteil erhöhen?
Dr. Nopper: Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) als städtisches Tochterunternehmen besitzt mit Ihren ca. 18.500 Wohnungen ca. 6 % des Wohnungsbestandes auf der Gemarkung Stuttgart.
Der Gemeinderat hat mehrheitlich beschlossen, diese Zahl deutlich zu erhöhen. Das unterstütze ich voll und ganz, denn das schafft auf Dauer Wohnraum, der günstige Mieten garantiert.

Frage: Der Mieterbund hat unlängst vorgeschlagen, man  solle leerstehende Büroflächen in Wohnraum umwandeln. Was halten Sie davon?
Dr. Nopper: Man darf gewerbliche Büroflächen nicht gegen Wohnungen ausspielen. Dort, wo tatsächlich der Bedarf für gewerblich genutzte Flächen nicht mehr vorliegt, sollte alles darangesetzt werden, um die Flächen in eine nachhaltige Nutzung umzuwandeln. Wir müssen beides im Auge behalten: Wie entwickelt sich der Büromarkt, wie der Wohnungsmarkt. Eine Stadt braucht Gewerbe und Wohnraum.

Frage: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie wohnen denn Sie selbst?
Dr. Nopper: Ich wohne in einer Wohnung in Stuttgart-Ost.

Die Fragen stellte Karl Gutbrod.

Wird in naher Zukunft fertiggestellt: Der Neckarpark mit 850 Wohneinheiten.

Foto: Günter E. Bergmann

Das Gebiet Langenäcker-Wiesert ist derzeit das letzte größere Gebiet, in dem auch Reihen häuser realisiert werden.

Foto: Günter E. Bergmann

Lebenslauf von Dr. Frank Nopper
Persönliche Daten

Geboren:
25. Mai 1961 in Stuttgart, verheiratet mit  Gudrun Weichselgartner-Nopper, 2 Söhne

Schule:
1980, Abitur am Wilhelms-Gymnasium in Degerloch

Ausbildung
1980 – 1981: 15 Monate Bundeswehrdienst
1981−1983: Lehre als Bankkaufmann bei der Dresdner Bank AG in Stuttgart
1983|84 – 1989: Studium der Rechtswissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
1989−1991: Wissenschaftlicher Referent des Tübinger Landtags-abgeordneten Dr. Friedhelm Repnik
1989−1990 und 1991−1992: Wissenschaftliche Hilfskraft an den Universitäten Tübingen und Stuttgart
1990−1993: Juristisches Referendariat beim Landgericht Stuttgart.
1997: Promotion zum Dr. jur. an der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Beruflicher und politischer Werdegang
1994−2000: Leiter der Abteilung Recht und Verwaltung bei der Stuttgarter Messe- und Kongressgesellschaft mbH
2000−2002: Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes des Schreinerhandwerks Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart
1994−2002: Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht an der Hochschule Esslingen – University of Applied Sciences
April 2002–Februar 2021: Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Backnang (Wiederwahl 2010, 2018).
Seit Februar 2021 Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, Aufsichtsrat der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart GmbH