Foto: Lichtgut//Achim Zweygarth
„Der Weg vom Plan
zum Kran ist steinig“
Interview mit Thomas S. Bopp, Vorsitzender des Regionalverbands Stuttgart,
dem 179 Städte und Gemeinden angehören, zur Internationalen Bauausstellung IBA‘27.
Herr Bopp, noch drei Jahre, dann sind die Stadt und die Region Stuttgart Gastgeber der Internationalen Bauausstellung (IBA’27), bei der es um das Bauen der Zukunft geht.
Wie laufen die Vorbereitungen? Sind Sie im Zeitplan?
Die IBA’27 hat in den letzten Jahren viel bewegt zu den zentralen Themen des ökologischen, ökonomischen und sozialen Wandels in der Region Stuttgart. Gemeinsam mit dem engagierten IBA-Team wollen Kommunen, öffentliche, genossenschaftliche und private Bauträger gebaute Antworten auf den Wandel geben: auf die Klimakrise, für die Weiterentwicklung der industriellen Basis der Region und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die enorme Resonanz auf die IBA hat alle überrascht: Über 180 Bewerbungen sind bisher eingegangen, 100 Vorhaben wurden ins Netzwerk aufgenommen, 24 IBA-Projekte werden derzeit intensiv vom IBA-Team betreut – fast alle sind große Quartiersentwicklungen, also so ziemlich das Anspruchsvollste, was es in der Planung gibt. Zig internationale Wettbewerbe haben in den vergangenen Jahren hochspannende Pläne für gemischte Quartiere hervorgebracht, die Wohnen für alle Gesellschaftsschichten mit Raum zum Arbeiten, für Kultur und Freizeit in unmittelbarer Nähe und mit guter Architektur verbinden. Es zeichnet sich eine neue, zukunftsfähige Baukultur ab, die wir 2027 hoffentlich gebaut sehen werden. Doch der Weg vom Plan zum Kran ist bekanntlich steinig und aktuell kommt noch die Bau- und Immobilienkrise hinzu. Es hakt an manchen Stellen, das will ich nicht verhehlen. Aber trotzdem: Viele Projekte sind auf einem guten Weg, Baurecht wird geschaffen, mancherorts haben die Bauarbeiten begonnen. 2027 werden aus heutiger Sicht rund 40 Projektstandorte zu besichtigen sein – in allen Phasen der Stadt- und Quartiersentwicklung: von reinen Planungen über Baustellen und einzelne Gebäude bis hin zu weitgehend fertiggestellten Quartieren. Und nach 2027 dreht sich die Welt weiter, die IBA hat vieles angestoßen, was hoffentlich die nächsten Jahrzehnte der Region prägen wird.
Welche Highlights sollen der Öffentlichkeit gezeigt werden?
Die Region Stuttgart mit ihrer nach wie vor starken Industrie ist ein idealer Ort, um ganz neue Formen der Verbindung von Wohnen und Arbeiten zu zeigen. »Die produktive Stadt« steht deshalb im Mittelpunkt, hier können wir einiges Neues zeigen, das dann hoffentlich Alltag wird. Als eines von vielen herausragenden Beispielen möchte ich ein Projekt in Wendlingen nennen: Nachdem vor drei Jahren die Garnproduktion eingestellt wurde, wird eine Spinnerei direkt am Neckar um- und weitergebaut. Die schönen denkmalgeschützten Fabrikgebäude werden nach und nach umgebaut, und neue Nutzer ziehen ein. Den Anfang machte ein Start-up-Unternehmen, das eine neue Batterietechnologie für Elektrofahrzeuge entwickelt hat. Produziert und gearbeitet wird dort also weiterhin – aber auch gewohnt, in einem lebendigen und lebenswerten Quartier in wunderschöner Lage am Neckar. Direkt neben den bestehenden Gebäuden entstehen auf etwa gleicher Fläche Neubauten, die ebenfalls diese Verbindung von Arbeiten und Wohnen schaffen: In den massiv gebauten unteren Geschossen können Produktionsanlagen, Labore, Büros untergebracht werden, darüber in leichter Holzbauweise Wohnungen für alle sozialen Schichten. Hinzu kommen sorgfältig gestaltete öffentliche Räume nach dem Prinzip der Schwammstadt. Das ist in dieser Form wirklich neu – und vielleicht auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel in der Region. Es gibt noch einige Herausforderungen zu meistern, zum Beispiel baurechtlicher Art, aber dafür ist es ein IBA-Projekt und vor Ort ziehen alle an einem Strang.
Der Verband Region Stuttgart (VRS) ist zusammen mit der Stadt Stuttgart Hauptgesellschafter und gleichzeitig Hauptgeldgeber der IBA Gesellschaft.
Völlig überraschend hat das Stuttgarter Bauunternehmen Wolff & Müller unlängst seinen Sponsorenvertrag für die IBA’27 gekündigt.
Was sagen Sie dazu?
Den mit großem Abstand größten Teil des Budgets der IBA-GmbH tragen die Region und die Stadt Stuttgart, hinzu kommen Mittel der Architektenkammer und der Universität Stuttgart als weitere Gesellschafter sowie ein jährlicher Zuschuss des Landes. Damit ist die Arbeit der IBA-GmbH bis 2027 im Wesentlichen gesichert. Wir wollen aber auch die Wirtschaft und andere gesellschaftliche Kräfte mit ins Boot holen und haben dafür zum einen den Verein IBA’27 Friends gegründet und zum anderen mehrere Unternehmen als Förderer gewonnen – darunter Wolff & Müller. Die so zusätzlich generierten Mittel ermöglichen der IBA eine noch breitere Sichtbarkeit. Das erste IBA-Festival im vergangenen Sommer beispielsweise wäre in dieser Form ohne Sponsoring und die Förderung von Stiftungen nicht möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund bedauern wir die Entscheidung von Wolff & Müller natürlich sehr. Finanziell hat das aber keine existenziellen Auswirkungen. Die IBA’27 pflegt intensive Kontakte mit der Wirtschaft, weil nur gemeinsam die anspruchsvollen Transformationsprozesse bewältigt werden können. Auf diesen Austausch – auch mit Wolff & Müller – hat die Kündigung des Fördervertrags keinen Einfluss.
Die Wahrnehmung der IBA sei außerhalb interessierter Kreise relativ schwach, stellte der Verband der Immobilienwirtschaft Stuttgart (IWS) neulich fest.
Sehen Sie das auch so und wie wollen Sie dem entgegensteuern?
Eine IBA ist ein zehnjähriger Prozess, da ist es schon eine Herausforderung, die Aufmerksamkeit zu halten, zumal in einer auch flächenmäßig großen Region mit 179 Kommunen und rund 2,8 Millionen Menschen. Und in den ersten Jahren ist ja auch noch nicht wirklich etwas zu sehen. Deshalb fand ich die bewusste Entscheidung der IBA richtig, nicht gleich zu Beginn eine große Kampagne zu inszenieren, sondern erst einmal in einer gewissen Ruhe die Projekte zu finden und zu entwickeln. Im Mittelpunkt stand zunächst die Fachöffentlichkeit – und die Menschen vor Ort, wo die Projekte entstehen, die über zum Teil sehr innovative Beteiligungsformate einbezogen wurden und werden. Aus diesem Prozess sind nun Pläne und Bilder für die Projekte entstanden, die die IBA im vergangenen Sommer beim ersten IBA-Festival einer breiten regionalen Öffentlichkeit vorgestellt hat. Das Festival war aus meiner Sicht ein großer Erfolg, mit über 100 Veranstaltungen in der ganzen Region und einer 1.300 Quadratmeter großen Festivalzentrale als belebter Treffpunkt mit einer großen Ausstellung mitten auf der Königstraße im Zentrum Stuttgarts. An diese Erfahrungen will das IBA-Team nun anknüpfen. So soll es ab dem Frühjahr in der Stuttgarter Innenstadt eine Art gläsernes Büro geben, einen Laden, in dem sich die IBA niederschwellig präsentiert. Außerdem werden immer mehr Projektstandorte als Baustellen sichtbar. So wird es mit Unterstützung unseres Fördervereins, den IBA’27 Friends e.V., regelmäßige Field Trips geben. Und 2025 kommt ein weiteres Festival, bei dem diese Baustellen im Mittelpunkt stehen. Im Ausstellungsjahr 2027 werden die Ideen der IBA dann sehr konkret verständlich und sichtbar: mit vielen gebauten und erlebbaren Häusern.
Das Interview führte Karl Gutbrod
Thomas S. Bopp
Vorsitzender des Verbands Region Stuttgart
Foto: Verband Region Stuttgart
Visualisierung des Siegerentwurfes der Neckarspinnerei Wendlingen
Bild: Rustler Schriever Architekten mit gornik denkel Landschaftsarchitekten
Die Weissenhofsiedlung – hier das Le Corbusier-Haus – als wichtigster Referenzpunkt der IBA’27 wird im Ausstellungsjahr 100 Jahre alt.
Bild: IBA’27/Franziska Kraufmann
Die Festivalzentrale inmitten der Königsstraße als Ort zum Informieren und Mitgestalten im Festivaljahr 2023.
Bild: IBA’27/Franziska Kraufmann
Mit dem ersten IBA’27-Festival feierte die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart ungefähr zur Halbzeit mit den Menschen der Region Stuttgart ihre erste Zwischenpräsentation.
Bild: IBA’27/Franziska Kraufmann
Mit zahlreichen Veranstaltungen schuf die IBA’27 Sichtbarkeit in Stuttgart und der Region.
Bild: IBA’27/Franziska Kraufmann
An immer mehr Projektstandorten wird bereits gebaut, wie auch am Holzparkhaus Schwanenweg in Wendlingen
Bild: IBA’27/Achim Birnbaum