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„Heute lauern überall Fallstricke“

Interview mit Jürgen Pflugfelder,
Seniorchef der Pflugfelder Immobiliengruppe in Ludwigsburg und Stuttgart

Jürgen Pflugfelder (66) ist seit mehr als 40 Jahren eine der prägendsten Figuren der regionalen Immobilienbranche. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann sammelte er während seines Studiums der Immobilienwirtschaft in Düsseldorf erste Praxiserfahrung bei dem renommierten Immobilienunternehmen Aengevelt. Anfang der 1980er-Jahre kehrte er in seine Heimatgemeinde Freiberg am Neckar zurück und trat in das Familienunternehmen ein, das sein Vater Erich Pflugfelder 1972 gegründet hatte. In den folgenden Jahren entwickelte Jürgen Pflugfelder das kleine Maklerbüro zu einem Full-Service-Immobiliendienstleister mit Niederlassungen in Ludwigsburg und Stuttgart, der neben dem Neubau von Wohn- und Gewerbeobjekten auch Grundstücke und Immobilien entwickelt, vermarktet, verwaltet sowie Bestände aufkauft und privatisiert. Anfang des Jahres zog er sich aus dem operativen Geschäft der mittlerweile knapp 90 Mitarbeiter zählenden Pflugfelder Unternehmensgruppe zurück und übergab die Gesamtleitung an seinen Sohn Julian Pflugfelder und dessen Mitgeschäftsführer Felix Epple.

Julian Pflugfelder (r.) mit seinem
Vater Erich Pflugfelder

Foto: Pflugfelder Immobilien

Herr Pflugfelder, Sie haben Ende Juni ihr 50-jähriges Firmenbestehen gefeiert.
Wie war die Jubiläumsparty?

Die Jubiläumsparty war ein echtes Highlight unserer Firmengeschichte. Insgesamt durften wir rund 700 Gäste begrüßen. Mit dabei waren unter anderem der frühere Ministerpräsident und EU-Kommissar Günther Oettinger, der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper, die frühere Kultusministerin und CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann, die Bundestagsabgeordneten Steffen Bilger und Marc Biadacz sowie zahlreiche Mitglieder aus unterschiedlichen kommunalen und regionalen politischen Gremien. Aus der Wirtschaft feierten der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Porsche, Lutz Meschke, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Kärcher, Hartmut Jenner, sowie viele weitere Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft, besonders natürlich aus der regionalen und überregionalen Immobilienwirtschaft, mit. Dass wir unsere Jubiläumsparty auf dem Eisenmann-Areal in Böblingen gefeiert haben, war übrigens eine bewusste Entscheidung, da dieser Ort für unser Unternehmen die Gegenwart mit der Zukunft verbindet. Diese rund 57.000 Quadratmeter große Entwicklungsfläche haben wir vor etwa zwei Jahren im Rahmen eines Joint-Ventures mit der Vision erworben, dort ein urbanes und multifunktionales Wohn- und Gewerbequartier mit hoher städtebaulicher Qualität und positiver Energiebilanz zu schaffen.

 

Erzählen Sie doch mal, wie war das in den 1970er-Jahren, als die Pflugfelder Immobiliengruppe ihren Anfang nahm?

Eigentlich suchte mein Vater Erich, der 27 Jahre lang Bürgermeister von Beihingen war und dieses Amt im Zuge der Gemeindereform niederlegte, etwas Abwechslung im Ruhestand. Also startete er mit einem Maklerbüro im eigenen Wohnhaus und war damit recht schnell erfolgreich. Mit der Zeit wurde es ihm aber deutlich zu viel und er bat mich, nachdem er erkrankte, früher als geplant ins eigene Unternehmen zu kommen. Das habe ich getan und die ersten Jahre von meinem Schülerschreibtisch im Kinderzimmer aus gearbeitet. Es gab damals noch kein Fax, natürlich keine PCs und auch keine Telefonanlagen, wie man sie heute kennt. Das Maklergeschäft hat sich zwischen Küche, Wohnzimmer und Kinderzimmer abgespielt. Wenn keiner von uns da war, musste meine Mutter den Kochlöffel zur Seite legen und selbst ans Telefon gehen. Im ersten Jahr meiner Tätigkeit ist es mir gelungen, den Umsatz zu vervierfachen und wir haben die erste Teilzeitkraft eingestellt.

 

Fast wären Sie Journalist geworden, heißt es …

Das ist richtig. Ich habe mit 17 über meinen Vater den Kreisressortleiter der Ludwigsburger Kreiszeitung, Jörg Weikert, kennengelernt. Schon als Jugendlicher habe ich gerne fotografiert und er hat mich dazu motiviert, als freier Fotograf für die Ludwigsburger Kreiszeitung zu arbeiten. Neben Wirtschafts-Gymnasium und Handball war ich dann im Grunde genommen das ganze Wochenende für Sport und Lokales, zusätzlich auch nachts für Unfallaufnahmen, unterwegs. Daneben berichtete ich für die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten über die Bundesliga-Handballspiele der TSG Oßweil. Nachdem ich parallel immer wieder meinen Vater im Büro und bei Besichtigungen unterstützt habe, war für mich dennoch rasch klar, dass ich meine Zukunft in der Immobilienbranche sehe.

 

Was hat sich im Laufe der Jahrzehnte in Ihrem Business geändert?

Im Grunde genommen hat sich im Zuge der Digitalisierung alles geändert. Heute hat der Kunde bereits vor einer Objektbesichtigung Zugang zu umfangreichem Bild- und Informationsmaterial. Das Hauptvermarktungsinstrument war früher die Samstagsausgabe der Tageszeitungen. Es gab Samstagsausgaben, bei denen der Verlag aus technischen Gründen keine Anzeigen mehr annehmen konnte. Oft umfasste der Anzeigenteil 40 Seiten und mehr. Heute unvorstellbar – sehr zum Leidwesen der Verleger. Unter der Woche wurde mindestens bis 19 Uhr und samstags bis 18 Uhr gearbeitet. Dies galt nicht nur für den Chef, sondern für alle Vertriebsmitarbeiter. Schon damals gab es Vorschriften und Regeln, die eingehalten werden mussten – aber alles in überschaubarem Rahmen. Heute ist es für mittelständische Unternehmer ohne eigene Rechtsabteilung extrem schwer, im Dickicht des Bau-, Arbeits-, Wettbewerbs- und Umweltrechts zurechtzu- kommen. Überall lauern Fallstricke!

 

Was waren in Ihrem Arbeitsleben wohl die bedeutendsten Projekte – und was das kniffligste?

Im Wohnungsbau sicherlich unser Rosenberg in Stuttgart-West mit knapp 200 Wohnungen und Gewerbeflächen. Im gewerblichen Bereich die Projektentwicklung beim Berliner Flughafen Schönefeld, wo wir ein Amazon-Sortier-Center gebaut und verkauft haben und inzwischen die Entwicklung einer weiteren Grundstücksfläche von rund 220.000 m² vorantreiben. Eines der kniffligsten Objekte war sicher der Büro- und Wohnkomplex in der Solitudestraße 49 in Ludwigsburg, wo sich zur Zeit unsere Zentrale befindet. Im Gegensatz zu heute wurden damals vor Baubeginn keine umfangreichen Bodenuntersuchungen durchgeführt und auch auf eine historische Erkundung wurde in der Regel verzichtet. Das Ergebnis war, dass wir erst nach Baubeginn festgestellt haben, dass der Baugrund extrem schlecht war, sich die Tiefgarage im Grundwasser befand und außerdem der Kampfmittelbeseitigungsdienst anrücken musste, weil plötzlich Blindgänger vermutet wurden. Jetzt steht der komplette Komplex auf Pfählen und die Autos in einer als weiße Wanne ausgebildeten Tiefgarage.

 

Zu Jahresbeginn haben Sie die Geschäftsführung an Ihren 36-jährigen Sohn Julian Pflugfelder übergeben.
Fiel Ihnen dieser Schritt schwer?

Dieser Schritt fiel mir überhaupt nicht schwer, da mein Sohn eine exzellente Ausbildung durchlaufen hat und schon Jahre davor im Unternehmen tätig war. Vor allem – und was aus meiner Sicht das Wichtigste ist – hatte mein Sohn nie Ambitionen, seine Karriere im Profi-Handball fortzusetzen. Stattdessen hatte er sich bereits zum Ende seiner Schulzeit klar und eindeutig für die Übernahme des Familienunternehmens positioniert. Nach einer intensiven Findungsphase, in der wir beide unsere neuen Rollen abgrenzen und annehmen mussten, habe ich ihm Stück für Stück den Freiraum gelassen, seine Ideen und Visionen umzusetzen und das gesamte Team unter Berücksichtigung der zukünftigen digitalen Herausforderungen neu aufzustellen. Dies ist im ausgezeichnet gelungen.

 

Bleibt Ihnen jetzt mehr Zeit für Ihr großes soziales Engagement, zum Beispiel für den Kinderschutzbund, für den Sie Spendenaktionen organisieren, bei denen immer stattliche Summen zusammenkommen?

Auch das Sponsoring von sozialen Projekten und unsere langjährige Partnerschaft mit dem Deutschen Kinderschutzbund habe ich inzwischen an meinen Sohn Julian und an meine Tochter Sarah übergeben, die darüber hinaus auch im Vorstand des gemeinnützigen Vereins Silberdistel aktiv ist. Ich genieße jetzt die Freiräume, die ich habe, stehe aber natürlich nach wie vor der Unternehmensgruppe als Ansprechpartner zur Verfügung, sofern mein Rat gewünscht wird.

 

Zum Schluss noch ein Wort zur Lage der Nation – wie sehen Sie die derzeitige Situation auf dem Immobilienmarkt und was wird uns in Zukunft wohl erwarten?

Zinsentwicklung, Inflation, Engpässe bei der Energieversorgung und der russische Terrorkrieg werden zu einer massiven Rezession führen, unter der auch die Immobilienbranche stark leiden wird. Die explodierenden Energiepreise und unsere selbstverschuldete dramatische Abhängigkeit von importiertem Gas und Öl werden zu extrem steigenden Nebenkosten und der Gefahr von sozialen Spannungen führen. Die Politik versagt auf breiter Front. Anstatt sofort die Laufzeit der Atomkraftwerke zu verlängern und zumindest zu einem Teil CO2-freien Strom zu produzieren, werden Kohlekraftwerke reaktiviert mit den bekannten Konsequenzen. Auch Diskussionen über die Rente mit 63 bei gleichzeitigem Fachkräftemangel und Kollabieren des Rentensystems zeigen mir, wie weit viele Politiker von der Realität entfernt sind – leider.

 

Die Fragen stellte Karl Gutbrod

Feier zum 50-jährigen Firmenbestehen (v.l.n.r.):
Julian Pflugfelder mit Ehefrau Sina Pflugfelder
und Schwester Sarah Pischorn-Pflugfelder sowie
Gudrun Nopper und Dr. Frank Nopper

Foto: Wolfgang List, www.perfectfotos.com

Herzliche Begegnung bei der Pflugfelder-Jubiläumsfeier
(von links): Klaus Herrmann, Fraktionsvorsitzender der CDU
im Ludwigsburger Gemeinderat, Tine Biadacs, Jürgen Pflugfelder, Dr. Susanne Eisenmann, die beiden
CDU-Bundestagsabgeordneten Marc Biadacs und Steffen Bilger sowie Dollenberg-Hotelier Meinrad Schmiederer

Foto: Wolfgang List, www.perfectfotos.com

Das Wohnquartier „Rosenberg” in Stuttgart-West

Foto: Pflugfeler Immobilien