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In die Baupolitik kommt Dynamik

Die neue Bundesbauministerin Klara Geywitz soll mit ihrem Team das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestalten. So steht es im Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung.

Die neue Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat viel vor.

Foto: Werner Schüring –BMI

Eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro; höhere Löhne in der Pflege und zusätzlich ein Corona-Pflegebonus; ein eigener Corona-Krisenstab und ein Expertengremium, das im Kanzleramt angesiedelt ist; das Wahlalter wird auf 16 Jahre herabgesetzt; das bisherige Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) wird durch ein Bürgergeld ersetzt – so lauteten die Schlaglichter des Koalitionsvertrags zwischen den Parteien SPD, Grünen und FDP, die seit Anfang Dezember die neue Bundesregierung bilden. Für weniger Schlagzeilen, dafür auf großes Interesse der Immobilienwirtschaft sorgten aber die angekündigten Vorhaben der neuen Regierung aus dem Bereich Bauen und Wohnen.
Zusammengefasst ist folgendes geplant: Mit ihrem neuen Bau-Ministerium will die Ampel-Koalition, dass pro Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. Davon sollen 100.000 Wohnungen auf dem öffentlich geförderten Markt entstehen, also so genannte Sozialwohnungen. Die Mietpreisbremse für Neuvermietungen wird bis 2029 verlängert. In „angespannten Wohnungsmärkten“ wird der Anstieg der Mieten drei Jahre lang auf elf Prozent begrenzt. Vorher waren es 15 Prozent. Weitere Eckpunkte: Wohnungen dürfen nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden, und wegen der gestiegenen Energiepreise soll es einen einmaligen Heizkostenzuschuss für Einkommensschwache geben.
Bundesbauministerin ist Klara Geywitz (45), SPD. Die Potsdamerin wurde bundesweit bekannt, als sie 2019 im Duo mit Bundeskanzler Scholz für den SPD-Vorsitz kandidierte. Die beiden verloren zwar, doch laut der Deutschen Presseagentur zählt die ausgewiesene Strategin als Parteivize zu den wichtigen Köpfen der Bundes-SPD. Sie gilt als Kennerin der ostdeutschen Länder, will im Kabinett aber sicher mehr als die Quotenfrau aus dem Osten sein. Klara Geywitz gilt als schonungslos ehrlich, aber auch konfliktfähig. Offene Emotionen sind nicht ihr Ding.

Ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ schließen
Im Koalitionsvertrag heißt es wörtlich: „Wohnen ist ein Grundbedürfnis und so vielfältig wie die Menschen. Wir werden das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestalten. Dabei haben wir die Vielfalt der Rahmenbedingungen und Wohnformen und individuellen Bedürfnisse der Menschen in ländlichen und urbanen Räumen im Blick.“
Dafür will die Regierung einen Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik starten. „Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Dafür werden wir die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau inklusive sozialer Eigenheimförderung fortführen und die Mittel erhöhen. Wir werden ein ,Bündnis bezahlbarer Wohnraum‘ mit allen wichtigen Akteuren schließen. Wir werden zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen und so eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums erzeugen“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Die Sozialbindung soll nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit die Struktur der etablierten Wohnungswirtschaft ergänzen, ohne diese zu benachteiligen. „Wir legen ein Bund-Länder-Programm für studentisches Wohnen, für junges Wohnen und Wohnen für Auszubildende auf. Wir werden eine Bau- und Investitionsoffensive starten, die die Voraussetzungen schafft, schnell und günstig zusätzlichen Wohnraum zu schaffen und zu erhalten, und dadurch sowohl der Bau- und Immobilienwirtschaft langfristige Planungsperspektive als auch den Mieterinnen und Mietern Sicherheit gibt“, heißt es in der Erklärung.
Weiter steht im Vertrag: „Wir werden einen Bau-, Wohnkosten- und Klimacheck einführen. Wir wollen Kommunen helfen, Potenzialflächenregister einzuführen. Wir setzen im Rahmen des Bündnisses die Arbeit der Baukostensenkungskommission fort. Wir gliedern die nicht bahnnotwendigen Immobilien des Bundeseisenbahnvermögens in die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ein und richten die BImA auf unsere bau-, wohnungs-, stadtentwicklungspolitischen und ökologischen Ziele aus. Wir werden der BImA mehr Freiheiten verschaffen und ihr die Aufnahme von Krediten ermöglichen. Die BImA soll künftig selbst investieren und bauen sowie weiterhin kommunales Bauen unterstützen können. Dazu wollen wir die Verantwortung für Planung, Bau und Betrieb der Bundesbauten und Bundesliegenschaften bei der BImA konzentrieren.“ Verstärkt werden soll der Einsatz für altersgerechtes Wohnen und Barriereabbau. Die Mittel für das KfW-Programm sollen zudem auskömmlich aufgestockt werden.

Digitalisierung und Vereinfachung
Durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung sollen die Kosten für den Wohnungsbau gesenkt werden. Dazu heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir wollen modulares und serielles Bauen und Sanieren durch Typengenehmigungen beschleunigen. Wir wollen die Prozesse der Normung und Standardisierung so anpassen, dass Bauen günstiger wird. Wir werden die Bau- und Immobilienwirtschaft sowie alle Ebenen der Verwaltung unterstützen, die Digitalisierung zu meistern, Open-BIM und einheitliche Schnittstellen/Standards umzusetzen. Der Bundesbau ist Vorbild bei der Digitalisierung und unseren bau-, wohnungs- und klimapolitischen Zielen. Wir werden das Baugesetzbuch (BauGB) mit dem Ziel novellieren, seine Instrumente noch effektiver und unkomplizierter anwenden zu können, Klimaschutz und -anpassung, Gemeinwohlorientierung und die Innenentwicklung zu stärken sowie zusätzliche Bauflächen zu mobilisieren und weitere Beschleunigungen der Planungs- und Genehmigungsverfahren vorzunehmen.“
Die entsprechenden Regelungen sollen im Baulandmobilisierungsgesetz entfristet und die rechtlichen Grundlagen für eine vollständige Digitalisierung der Bauleitplanverfahren geschafft werden. Die Bauministerin will prüfen, ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 zum gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung (Milieuschutzsatzung) gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt. „Wir wollen die Bauforschung stärken.“

Klimaschutz im Gebäudebereich
Im Rahmen des Klimaschutzsofortprogramms soll 2022 nach dem Auslaufen der Neubauförderung für den KfW-Effizienzhausstandard 55 (EH 55) ein Förderprogramm für den Wohnungsneubau eingeführt werden, das insbesondere die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro Quadratmeter Wohnfläche fokussiert. Zudem steht eine Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) wie folgt an: Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden; zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im GEG die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH 70 entsprechen; im GEG werden die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 angeglichen. Daneben können im Rahmen der Innovationsklausel gleichwertige, dem Ziel der THG-Emissionsreduzierung folgende Maßnahmen eingesetzt werden.
Wörtlich heißt es in der Koalitionsvereinbarung: „Wir werden mit der Wohnungswirtschaft die begonnene Innovationspartnerschaft wieder aufgreifen und den Quartiersansatz und die Innovationsklausel fortschreiben. Wir heben die lineare Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von zwei auf drei Prozent an und behalten dabei die unterschiedlichen Effekte auf die verschiedenen Bauherren im Blick. So starten wir die klimagerechte Neubauoffensive.“
Um eine wirtschaftlich effiziente, sozialverträgliche Umsetzung der Klimaschutzziele, insbesondere orientiert an der eingesparten Tonne CO2, sicherzustellen, wird auf passgenaue und technologieoffene Maßnahmen aus Optimierung der Gebäudehülle, der technischen Anlagen zur Erzeugung und Versorgung mit erneuerbarer Energie am Gebäude und auf Quartierslösungen gesetzt. Die Förderprogramme werden den Zielen und Bedarfen entsprechend weiterentwickelt und umgeschichtet. Dazu heißt es im Vertrag: „Wir werden die Grundlagen schaffen, den Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachten zu können. Dazu führen wir u. a. einen digitalen Gebäuderessourcenpass ein. So wollen wir auch im Gebäudebereich zu einer Kreislaufwirtschaft kommen. Außerdem werden wir eine nationale Holzbau-, Leichtbau- und Rohstoffsicherungsstrategie auflegen. Innovativen Materialien, Technologien und Start-ups wollen wir den Markteintritt und Zulassungen erleichtern.
In den Verhandlungen über das EU-Programm „Fit for 55“ unterstützt die neue Regierung die Vorschläge der EU-Kommission im Gebäudesektor. Um das Mieter-Vermieter-Dilemma zu überwinden, wird ein schneller Umstieg auf die Teilwarmmiete geprüft. Im Zuge dessen wird die Modernisierungsumlage für energetische Maßnahmen in diesem System aufgehen. Gewünscht ist, eine faire Teilung des zusätzlich zu den Heizkosten zu zahlenden CO2-Preises zwischen den Vermietern einerseits und Mieterinnen und Mietern andererseits zu erreichen.
Zum 1. Juni 2022 soll ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen eingeführt werden, das die Umlage des CO2-Preises nach BEHG regelt. Sollte dies zeitlich nicht gelingen, werden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieterin bzw. Mieter geteilt. „Wir streben eine breite, systematische Nutzung von Sanierungsfahrplänen an und werden diese z. B. für Wohnungseigentumsgemeinschaften und beim Kauf eines Gebäudes kostenlos machen. Wir werden serielles Sanieren vorantreiben, indem wir das Förderprogramm fortführen und innerhalb des BEG ausweiten. Im Rahmen des Forschungsprogramms „Zukunft Bau“ werden wir serielles und modulares Bauen und Sanieren z. B. nach dem niederländischen Energiesprong-Prinzip weiterentwickeln sowie bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Hürden identifizieren und beseitigen“, heißt es im Vertrag.

Gebäudeenergieausweis verbessern
Zum Thema Gebäudeenergieausweis heißt es: „Wir verbessern, vereinheitlichen und digitalisieren den Gebäudeenergieausweis. Wir werden die Erstellung eines digitalen Gebäudeenergiekatasters prüfen. Wir werden das Wohngeld stärken, eine Klimakomponente einführen und kurzfristig einen einmalig erhöhten Heizkostenzuschuss zahlen.“

Schutz der Mieterinnen und Mieter
Solange nicht genug bezahlbare Wohnungen gebaut werden, verhindere die Wohnraumknappheit vor allem in Ballungsgebieten, dass sich angemessene Mieten am Wohnungsmarkt bilden können, meint die neue Ampel-Regierung. Daher sollen die geltenden Mieterschutzregelungen evaluiert und verlängert werden. In angespannten Märkten werden die Kappungsgrenze auf elf Prozent in drei Jahren abgesenkt. Weiter heißt es: „Wir verlängern die Mietpreisbremse bis zum Jahre 2029. Wir werden qualifizierte Mietspiegel stärken, verbreitern und rechtssicher ausgestalten. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten sieben Jahre herangezogen werden. Wir werden für mehr Transparenz bei den Nebenkostenabrechnungen sorgen. Für Gemeinden über 100.000 Einwohnerinnen bzw. Einwohnern werden qualifizierte Mietspiegel verpflichtend. Wir werden ein Pilotprojekt starten, um in ausgesuchten Kommunen anhand von Angaben in der Steuererklärung einen Mietspiegel zu erstellen.
Um die Ursachen drohender Wohnungslosigkeit zu beseitigen, soll das Mietrecht, insbesondere dort, wo Schonfristzahlungen dem Weiterführen des Mietverhältnisses entgegenstehen, evaluiert und entgegengesteuert werden. Ziel ist es, bis 2030 Obdach- und Wohnungslosigkeit zu überwinden, dafür wird ein Nationaler Aktionsplan aufgelegt.

Wohneigentum fördern
„Wir wollen mehr Menschen in Deutschland ermöglichen, im selbstgenutzten Eigentum zu wohnen. Die Hürden beim Eigentumserwerb wollen wir durch eigenkapitalersetzende Darlehen senken und Schwellenhaushalte langfristig z. B. mit Tilgungszuschüssen und Zinsverbilligungen beim Eigentumserwerb unterstützen. Wir wollen den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer z. B. durch einen Freibetrag ermöglichen, um den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zu erleichtern. Zur Gegenfinanzierung nutzen wir das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern
beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals). Wir wollen die illegale Finanzierung von Immobilien durch geeignete Maßnahmen bekämpfen. Dazu gehört der Versteuerungsnachweis für gewerbliche und private Immobilienkäufer aus dem Ausland, bei jeglichem Immobilienerwerb in Deutschland, und ein Verbot des Erwerbs von Immobilien mit Bargeld. Im Grundbuch wird eine ladungsfähige Anschrift bei Änderungen verpflichtend“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Die neue Bundesregierung will eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben um zu untersuchen, ob ein Grundbuch auf der Blockchain möglich und vorteilhaft ist. Eingeführt wird der echte Sachkundenachweis für Makler, Miet- und WEG-Verwalter. Das KfW-Programm zum Kauf von Genossenschaftsanteilen soll gestärkt werden.

„Wir wollen lebenswerte Städte“
Zum Thema Städtebau heißt es in der Vereinbarung: „Wir wollen lebenswerte Städte, Gemeinden und ländliche Regionen in ganz Deutschland und orientieren uns an der Neuen Leipzig-Charta. Wir sichern die Städtebauförderung dauerhaft und erhöhen sie. Die Senkung der THG-Emissionen und Klimaanpassung sind zentrale Bestandteile. Die Hürden für finanzschwache Kommunen senken wir und prüfen die Möglichkeiten mehrjähriger Bund-Länder-Vereinbarungen. Die vorhandenen Fördermaßnahmen im Bereich des Städtebaus wollen wir flexibilisieren und entbürokratisieren sowie die Einrichtungen der Baukultur stärken. Wir entwickeln den Smart-City-Stufenplan weiter, stärken BIM Deutschland und richten ein Smart-City-Kompetenzzentrum ein. Wir wollen die nutzungs-
gemischte Stadt.“

Zum Schutz der Gesundheit will die Regierung zukünftig die gesamte Lärmsituation berücksichtigen und die Einführung einer Gesamtlärmbetrachtung prüfen. Diese könnte zum Beispiel die Belastungen aus Straßen-, Schienen- und Luftverkehr sowie von Industrie- und Gewerbeanlagen zusammenführen. „Die TA Lärm werden wir modernisieren und an die geänderten Lebensverhältnisse in den Innenstädten anpassen, um Zielkonflikte zwischen Lärmschutz und heranrückender Wohnbebauung aufzulösen. Wir erkennen für Clubs und Livemusikspielstätten ihren kulturellen Bezug an. Für beides werden wir die Baunutzungsverordnung und TA Lärm anpassen.“

Zudem soll die Honorarordnung für Architekten (HOAI) reformiert und die Leistungsbilder angepasst werden. Das Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ soll mit der Städtebauförderung kompatibel gemacht werden.
Wörtlich heißt es weiter: „Wir unterstützen Kommunen bei der Prävention und Bewältigung von Starkregenereignissen und der Anpassung an den Klimawandel. Die Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021, vor allem im Ahrtal und Teilen Nordrhein-Westfalens, hat uns eindrücklich vor Augen geführt, welche verheerenden Folgen Extremwetter haben können. Wir werden den Wiederaufbau dort gemeinsam mit den Ländern mit aller Kraft vorantreiben. Wir werden das Nachhaltigkeitsziel der Bundesrepublik beim Flächenverbrauch mit konkreten Maßnahmen hinterlegen. Die Regelung des § 13b BauGB wird nicht verlängert. Wir prüfen die Einführung eines Innenentwicklungsmaßnahmengebietes.“

©Autor: Karl Gutbrod