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Holz – neue Ästhetik mit einem traditionellen Baustoff

Holz ist das älteste Baumaterial, das die Menschheit kennt. In der modernen Architektur spielte es lange Zeit eher eine vernachlässigte Rolle. Mit spektakulären Projekten wie dem Bürogebäude Shigeru Ban 2013 in Zürich oder dem ersten fünfstöckigen Mehrfamilien-Holzhaus in Berlin, 2010 von Kaden Klingbeil Architekten errichtet, hat sich dies geändert. Holz entwickelt sich derzeit zu einem der Lieblings-Baumaterialien bei Architekten.
Neben ökologischem Vorteil als nachwachsender Rohstoff hat Holz viele Eigenschaften, welche den Trend verstärken. Wir empfinden die Haptik seiner Oberfläche als angenehm. Es weckt in uns archaische Gefühle. Holz sorgt für gutes Raumklima, seine Optik ermöglicht eine warme Architektursprache. Als Baumaterial ist es leicht, tragfähig und beim Brandschutz ist gut abgelagertes Holz anderen Baustoffen ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen.
Holzarchitektur ist im Grunde immer Baukastenarchitektur: in der Produktionshalle vorgefertigte Module werden auf der Baustelle zusammengefügt. Dass Architekten heute wieder auf Holz und der damit verbundenen modularen Bauweise zurückgreifen, liegt an mittlerweile üblichen digitalen Planungsprozessen und den angekoppelten computerunterstützten Fertigungsverfahren. Daraus ergaben sich neue Gestaltungsmöglichkeiten, die Sonderlösungen, individuelle Grundrisse und variable Fassadengestaltungen ermöglichen.
Durch die Vorfertigung in der Werkhalle besitzt die Holzarchitektur aber auch einen hohen Präzisionsgrad. Dazu reduzieren die witterungsunabhängige Produktion der Einzelmodule und die rasche Realisierung vor Ort die Gefahr von baubedingten Schäden erheblich. Holz hat geringere Bauteilquerschnitte, so dass mehr nutzbarer Wohnraum entsteht. Die Hohlräume in den tragenden Wänden können zur Dämmung genutzt werden, weshalb durch die Dämmschicht kein Raum verloren geht und man mehr Nettogeschoss-fläche gewinnt.

Mit Weitblick: „auf der Sauhalde“ in Stutgart
Der Wunsch war einen Ort zu schaffen, der wie selbstverständlich wirkt, Gelassenheit ausstrahlt und sich zurückhaltend in die ländliche Umgebung der Streuobstwiesen einfügt. Eine Auflage dabei war, das Bestandsgebäude auf dem idyllisch gelegenen Grundstück bei der Umplanung mit einzubeziehen – Herausforderung und Chance zugleich.

Für das Team bei lohrmannarchitekt drängte sich beim Entwurf rasch ein Baukörper auf, welcher die Attribute der einfachen, bäuerlichen Architekturen „Auf der Sauhalde“ thematisiert. Das Untergeschoss konnte erhalten werden und bildet den Sockel für einen zweigeschossigen hölzernen Aufbau.

Dem Wunsch, nachwachsende Rohstoffe zu verwenden, wurde entsprochen: Wände und Decken sind Holzkonstruktionen, die Fassadenbekleidung besteht aus Douglasie, die Innenwand- und
Deckenbekleidung aus Weißtanne.
Die außen verwendeten Materialien übernehmen analog die Baustoffe der ortstypischen Bauernhäuser und Schuppen. So wurde der traditionelle Kellenwurfputz am Sockel angewendet und das Dach mit schwarzen Biberschwanzziegeln gedeckt.

Seine Großzügigkeit erhält das Haus durch die offene Raumstruktur und die vertikalen geschossübergreifenden Blickbeziehungen sowie durch die großflächigen Giebelverglasungen.
Rauer Sichtbeton im Kontrast zu hellem Tannenholz erzählen von der Einfachheit der Elemente und geben dem Raum eine starke Materialität.

Bild 1: Arbeitsplatz im Gebäude „Auf der Sauhalde“; Bild 2: Gebäude „Auf der Sauhalde“ von lohrmannarchitekt; Bild 3:Dieses Bestandsgebäude auf der Sauhalde sollte bei der Umplanung mit einbezogen werden; Bild 4: Der Essbereich ist geprägt durch den Materialkontrast von rauem Sichtbeton zu hellem Tannenholz; Bild 5: Das Untergeschoss konnte erhalten werden und bildet den Sockel für den hölzernen Aufbau; Bild 6: Innenausbau ganz in Holz

Fotos: Volker Schrank


Mondholz – Tradition als Wurzel für die Zukunft

1990 gründete in Goldegg/Österreich Erwin Thoma seine Firma mit dem Anspruch, das gesündeste Haus für seine Kinder zu bauen. Gebaut wird bei Thoma – und dessen Partnerfirmen u. a. auch in der Region Stuttgart mit der Zimmerei Fleck – in der von ihm patentierten Holz100-Bauweise.

Reines massives Holz umhüllen seine Gebäude, vollkommen chemie- und metallfrei. Und nicht irgendein Holz – verwendet wird dabei nur das sogenannte „Mondholz“. Dieses Holz wird ausschließlich zu bestimmten Mondphasen in seiner „Saftruhe“ gefällt, dann ausgiebig lange gelagert und schonend getrocknet.
Härter soll es sein, besonders trocken, unempfindlicher gegen Fäulnis und Insektenbefall, witterungsbeständiger und sogar feuerfest. Man sagt, manche Kamine in alten Bauernhäusern sind innen mit Mondholz ausgekleidet. Das Holz verkohle nur an der Oberfläche, jedoch ohne zu brennen. Alles Mythen? Das Wissen um Mondholz ist alt und hat Tradition. Erwin Thoma hat die traditionelle Erfahrung mit seinem ganzen Wissen als Forst- und Betriebswirt verknüpft. Daraus entwickelte sich Thoma Holz100. Neben den bereits erwähnten besonderen Eigenschaften schreibt Thoma dem Holz in seiner besten Form (leim- und chemiefrei) auch gesundheits- und schlaffördernde Eigenschaften zu.
Wer beispielsweise in einem Zimmer aus massivem Holz schläft, erspart sich einer Studie der medizinischen Fakultät an der Universität Graz zufolge in einer Nacht die Herzarbeit von einer Stunde. Puls und Herzschlag werden ruhiger, das vegetative Nervensystem wird gestärkt, die Tiefschlafphasen sind länger, der Schlaf insgesamt entspannter.
Bei der Holz100-Bauweise (Holz100 = 100 % Holz) werden Kanthölzer und Bretter stehend, liegend und diagonal zu kompakten Bauelementen geschichtet und mit staubtrockenen Buchendübeln, ganz ohne Leim und Metallteile, unlösbar miteinander verbunden. Hinsichtlich Wärmedämmung und Energieeinsparung, Abschirmung gegen extreme Hitze, Kälte, Mobilfunk aber auch Schallschutz, Brandschutz und Erdbebensicherheit erreicht diese Bauweise Bestwerte.
Holz100-Wände sind dabei diffusionsoffen und winddicht. Zugleich dient die massive Thoma Holz100-Wand als Langzeitspeicher für Temperatur, die von Natur aus ein ganzjährig ausgeglichenes Innenraumklima schafft.
Auf dieser Basis wird nur noch ein Minimum an Haustechnik benötigt, die mit Sonnenenergie betrieben werden kann. So können Einfamilienhäuser oder ganze Bürokomplexe, unabhängig vom Stromnetz und ohne weiteren Verbrauch von Ressourcen, betrieben werden.
Auch was Sicherheit im Brandfall betrifft, eignet sich Holz in Form von massiven Elementen hervorragend. Holz brennt nur dann gut, wenn es dünn und von Luft umspült ist. Ein dicker Holzpflock brennt nicht.
180 Minuten Beflammung mit 900 – 1000 ° C konnten Holz100 die statische Tragfähigkeit nicht nehmen. Damit übertrifft Holz100 jede Brandschutznorm bei Weitem und erzielt eine bessere Brandsicherheit als Stahlbeton, Ziegeldecken und Ständerbauten.

Die Technik der unverleimten Vollholzhülle bietet Stabilität, Nachhaltigkeit Energieunabhängigkeit und Gesundheit.
Gerade bei Holz100 und seinem hohen Vorfertigungsgrad sowie die trockenen Bauweise ergeben sich sehr kurze Bauzeiten. Hier zeigt sich deutlich, wie geringere Baufeuchtigkeit Gebäudeschäden verringert, die oft schon während der Bauphase entstehen.

Erwin Thoma ist überzeugt: „Echter Holzbau ist frei von jeglichem Gift und hundertprozentig wiederverwertbar. Das heißt, es hat keinen Sinn, Holz zu verbauen, wenn es nicht langlebig und wiederverwendbar zum Einsatz kommt. Wenn man Holz mit Chemikalien versetzt, die Allergien auslösen, wird ein wertvoller Rohstoff zu Sondermüll. Wir wollen Städte bauen, wie der Wald,
das ist unser Slogan. Die Häuser sollen energieautonom sein. Wir sind immer so gewachsen wie der Baum, Jahresring um Jahresring. Das wollen wir so weiterführen.“

 

 

Bild 1: Wohnhaus, gebaut mit Thoma Holz100; Bild 2: Hochwertiges Innendesign in Holzbauweise mit Thoma Holz100; Bild 3: Referenzbau Zimmerei Fleck; Bild 4: Degustationshaus im Weingut Idler von der Zimmerei Fleck mit Thoma Holz100

Fotos: Thoma Holz100; Zimmerei Fleck


Das „aktivhaus“ von Prof. Dr. Werner Sobek

Die jetzige Bauindustrie belastet die Umwelt beim Verbrauch von natürlichen Ressourcen mit 60 %, beim erzeugten Müllvolumen mit 50 %, im Verbrauch fossiler Energie mit 35 % und bei der Erzeugung von CO2-Emisionen mit ebenfalls 35 %.
„Es ist höchste Zeit, das Bauen neu zu denken.“ Das war das Initial für Prof. Dr. Werner Sobek, Architekt und Bauingenieur, Gründer und Designer von aktivhaus
Die von Hubert Nopper geführte AH Aktiv-Haus GmbH fühlt sich dem Triple-Zero-Prinzip von Werner Sobek verpflichtet: Seine Vision vom Aktivhaus benötigt nur die Energie, die es aus nachhaltigen Quellen selber erzeugt (Zero Energy), es produziert keine schädlichen Emissionen (Zero Emission) und alle Bauteile werden wieder vollständig in technische oder biologische Kreisläufe zurückgeführt (Zero Waste).

Nach der Konzeptphase und ersten Pilotprojekten steht nun eine Umsetzung im großen Stil in verschiedenen deutschen Städten an – die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Werner Sobek hat die in den vergangenen Jahren entwickelten Grundlagen des seriellen Bauens in Pilotprojekten wie R128 oder B10 getestet. In Anlehnung an diese Piloten hat aktivhaus gemeinsam mit Werner Sobek die Serie 700 entwickelt. Sie umfasst Wohn- und Technikmodule, die mit den unterschiedlichsten Ausstattungen, Materialien, Oberflächen und Farben versehen werden können. Die Dächer sind für Photovoltaik-Anlagen vorbereitet, lassen sich aber auch begrünen oder als Terrasse nutzen. „Mit unserer Baukompetenz und langjährigen Erfahrung im Baumanagement wollen wir dazu beitragen, ein sehr gutes Konzept erfolgreich auf die Straße zu bringen“, sagt aktivhaus-Geschäftsführer Hubert Nopper.
Jedes Modul wird werkseitig komplett vorgefertigt und getestet – im Vergleich zum konventionellen Wohnungsbau sparen Bauherren so bis zu 12 Monate Zeit und haben mehr Kostensicherheit, weil sie die Module im Vorfeld genau definieren. Kunden können ihr Wunschhaus so individuell und kostensicher konfigurieren, wie sie es bereits vom Autokauf her kennen.
Typische Anwendungen sind neben dem klassischen Wohnungsbau im preisgünstigen Segment auch Boardinghäuser und Wohnheime, etwa für Studenten oder Pflegekräfte. Das belegen Beispiele aus der Praxis: Im Auftrag der Stadt Winnenden hat das Unternehmen im Herbst 2016 insgesamt 38 Wohneinheiten errichtet – ein Projekt, das u.a. mit dem deutschen Holzbaupreis und dem italienischen Premio Natura ausgezeichnet wurde.

Insgesamt 329 Personalwohnungen in nachhaltiger Holzbauweise, die durch die Energieeffizienzklasse 40 Plus im Jahresmittel einen Energieüberschuss aus regenerativen Quellen erzeugen, sollen für Mitarbeiter des Klinikums in Bad Cannstatt am Prießnitzweg in insgesamt sechs Gebäuden mit vier und fünf Geschossen entstehen.
Lebenswert, attraktiv und in jeder Hinsicht nachhaltig sollen die Wohnungen am Prießnitzweg gestaltet werden.
Die geplanten Neubauten am Prießnitzweg zeichnen sich gleich in mehrfacher Hinsicht als Leuchtturmprojekt aus. Geplant ist eine effiziente Energieerzeugung auf Basis von Sole-Wasser-Wärmepumpen, Photovoltaikmodulen und Solar-Hybridkollektoren. Zudem ist ein Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung zur Optimierung des Heizbedarfs vorgesehen. Weitere wichtige Aspekte, die eine hohe Aufenthaltsqualität schaffen sollen, sind unter anderem eine gute Belichtung, großzügig gestaltete Grün- und Gemeinschaftsflächen sowie kühlende Frischluftzufuhr zwischen den Gebäuden.

Auftraggeber bei der Realisierung ist die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG). Baustart nach Erhalt der Baugenehmigung war im Sommer 2021, bereits im Frühjahr des Jahres 2022 sollen die ersten 157 Wohneinheiten bezugsfertig sein – darunter eine große Anzahl an Appartements. Ende des Jahres 2023 soll die zweite Bauphase mit 172 Wohneinheiten und einer Tiefgarage abgeschlossen werden.
Vom Klischee kleiner Einfamilienhäuser auf dem Land haben sich Holzbauten jedenfalls längst befreit. Immer mehr und immer höhere Gebäude werden aus Holz gebaut. Außerdem entstehen die unterschiedlichsten Gebäudetypologien aus dem nachwachsenden Material.

Für die beiden ersten Phasen des Lebenszyklus – Bauen und Wohnen – hat Holz ganz sicher viele Vorteile. Für die dritte Phase ist entscheidend, wie rein das verbaute Holz ist oder ob bei Beschichtungen, beim Verbund oder bei den Verklebungen in Holtafeln bzw. Sperrhölzer Materialien verwendet werden, die beim Abriss zu Sondermüll werden. Dass dies nicht sein muss,
zeigen die beschriebenen Beispiele, die gesunden Wohnungsbau garantieren.

 

© Autor: Klaus Bossert

 

 

Bild 1: Neubauten am Prießnitzweg der AH Aktiv-Haus GmbH für die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG); Bild 2: Aktivhäuser in Böblingen; Bild 3: Aktivhäuser in Kernen/Rommelshausen; Bild 4: Luftbild Böblingen; Bild 5: Großzügige Terrassen kennzeichnen die Aktivhäuser; Bild 6: Aktivhäuser in Esslingen

Foto: AH Aktiv-Haus GmbH