Auf dem Immobilienmarkt herrscht Flaute, heißt es in diesen Tagen. Was ist dran? „Der Immobilienmarkt hat in vielen Teilen Deutschlands eine Vollbremsung hingelegt. Doch einen flächendeckenden Preisrutsch werden wir 2023 nicht sehen“, erklärte Michael Neumann, Vorstand von Dr. Klein zu Jahresbeginn in seiner Prognose. Wie sich die Immobilienpreise entwickeln, hänge 2023 vor allem von der Lage und dem Zustand der Immobile ab.
In den großen Metropolregionen bleiben die Immobilienpreise laut Michael Neumann stabil oder nehmen leicht ab. Auch in den sogenannten Speckgürteln pendeln sich die Preise auf dem aktuellen Niveau ein. Denn dort sind Immobilien noch günstiger als in den Ballungszentren. Preisabfälle gibt es 2023 hingegen in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Günstiger werden auch Bestandsimmobilien mit einem hohen Sanierungsbedarf oder einer schlechten Energiebilanz. Wegen der hohen Energiekosten sinkt die Nachfrage nach solchen Immobilien und somit deren Wert. Michael Neumann geht sogar davon aus, dass Preisrückgänge im zweistelligen Prozentbereich zu erwarten sind.
Fazit von Dr. Klein: Im Jahr 2023 wird es flächendeckend nicht zu einem Preisverfall bei den Immobilienpreisen kommen. Dennoch ändert sich der Markt und Interessenten haben mehr Verhandlungsspielraum bei der Preisgestaltung − insbesondere nach unten. Wer am Ball bleibt und etwas Verhandlungsgeschick mitbringt, wird auch passende Angebote finden. Und: Solange Ihre Finanzierung solide ist, spricht nichts gegen einen Hauskauf 2023.
Mehr Inserate und trotzdem weniger Möglichkeiten
Die Energiekrise und eine drohende Rezession haben dem Immobilienmarkt stark zugesetzt, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). So könnten sich auch Menschen mit hohen Einkommen sich im Vergleich zu Anfang 2022 kaum noch Immobilien leisten.
Teure Energie, hohe Baukosten und Zinswende: Wer eine Immobilie kaufen möchte, hat es in diesem Jahr noch schwerer als bisher. Wer Ende 2022 als Paar ein Medianeinkommen, also rund 3.730 Euro netto hatte und ein Einfamilienhaus kaufen wollte, konnte sich lediglich 28 Prozent der angebotenen Objekte leisten. Anfang des Jahres waren es noch 40 Prozent. Selbst Haushalte mit einem hohen Einkommen mussten sich mit weniger zufrieden geben: Für das einkommensreichste Fünftel der Gesellschaft waren mit 47 Prozent nicht einmal die Hälfte der inserierten Einfamilienhäuser bezahlbar – zu Beginn des Jahres waren es noch 62 Prozent. Paare im einkommensreichsten Fünftel verdienten im Schnitt rund 5.000 Euro netto.
Negative Folgen für Mieter
Vor allem Großstadtregionen sind teuer geworden. Die Zahl an erschwinglichen Ein- und Zweifamilienhäusern in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München oder Stuttgart hat sich für das reichste Fünftel mehr als halbiert. Fast genauso stark gesunken ist die Auswahl im Umland der Metropolen. Obwohl deutlich weniger Menschen tatsächlich kaufen und es mehr Inserate gibt, bleiben die Preise weitestgehend stabil. Für Mieter hat das einen ungünstigen Nebeneffekt: Weil viel weniger von ihnen in eine eigene Immobilie umziehen, wächst der Druck auf dem Mietwohnungsmarkt. In der Folge sind die Mieten 2022 deutlich stärker gestiegen als in den Vorjahren.
Durchbruch am Immobilienmarkt: Erste Daumen gehen hoch
Mit dem Frühling erwacht allerdings der Optimismus am Immobilienmarkt – und ausgerechnet der Handel sorgt für ein Hoch im aktuellen ZIA-IW-Stimmungsindex. Handfeste Sorgen macht den Experten der Wohnungsbau: Projektentwickler bewerten die Geschäftslage schlechter denn je.
Die Frühjahrsbefragung des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln unter Investoren und Projektentwicklern gibt im Vergleich zur vorigen Erhebung im Winter ein positives Bild ab: Mit plus 10,4 Punkten zeigt der ZIA-IW-Immobilienstimmungsindex (ISI) für das erste Quartal 2023 wieder einen positiven Wert von plus 1,3 Punkten.
Sowohl mit Blick auf die aktuelle Lage (plus 11,2 Punkte gegenüber dem vierten Quartal 2022) als auch bei den Erwartungen für die kommenden zwölf Monate (plus 9,7 Punkte) gibt es Zuwächse. Der Wert erreicht jetzt plus 17,6 Punkte, die Erwartungen bleiben mit minus 13,7 Punkten negativ. Die Stimmung ist außerdem gemischt.
ZIA: Beim Wohnungsbau geht es weiter bergab
„Die Alarmsignale beim Wohnungsbau überlagern leider die Freude über die etwas verbesserte Gesamtlage“, kommentiert ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner die Ergebnisse. Projektentwickler bewerten die Geschäftslage schlechter denn je. Binnen zwei Jahren wird sich“, so Mattner, „ohne politische Kurskorrekturen die Zahl fehlender Wohnungen auf 1,4 Millionen erhöhen“.
Im Bereich Wohnen werden Lage und Erwartungen geringfügig besser eingeschätzt als im Winter. Das Wohnklima bleibt aber mit minus acht Punkten – nach einem Anstieg um 4,9 Punkte – negativ. Auch die Erwartungen sind eingetrübt und landen bei einem Wert von minus 19,4 Punkten. Die zunehmenden energetischen Auflagen, steigende Baukosten und eine schwindende Zahlungsfähigkeit der Mieter belasten dem ZIA zufolge die Ertragserwartungen. Zudem drücke die hohe Inflation auf die Gewinnmargen und neue Projekte würden unwirtschaftlich.
Immobilienwirtschaft: Raus aus der Schockstarre
Grund für die insgesamt bessere Stimmung sei die Hoffnung, dass die Energiekrise doch ohne große Blessuren überwunden werden kann, analysiert Dr. Ralph Henger, Senior Economist des IW, die ISI-Entwicklung. „Zudem setzt die Branche darauf, dass nach einer Schockstarre im Jahr 2022 stabilere Rahmenbedingungen dazu führen, dass die Nachfrage nach Immobilien wieder zurückkommt.“ Derzeit sei die Unsicherheit in der Branche allerdings hoch: Weder bei der wirtschaftlichen Entwicklung noch bei den Baukosten oder den Finanzierungsbedingungen seien klare Trends für 2023 zu erkennen.
Die Sonderfrage der Frühjahrserhebung galt geplanten Investitionen in Neubau und Modernisierungen. 45,7 Prozent der Unternehmen wollen im Jahr 2023 weniger, 26,2 Prozent wollen mehr als im Jahr 2022 investieren. Die Unternehmen meinen, dass schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren (29,5 Prozent) und mehr staatliche Förderung (25,7 Prozent) wieder Schwung in den Immobilienmarkt bringen kann.
Die Situation in Stuttgart
Für Bernhard Gut, Geschäftsführer gut Immobilien GmbH in Stuttgart, hat der Immobilienmarkt in der Landeshauptstadt gegen Ende 2022 einen Einbruch erlitten. Aufgrund der Vervielfachung des Zinses gegenüber Anfang 2022 und der zusätzlichen extremen Steigerung der Baukosten wurde „das eigene Häusle bauen“ für viele Familien nicht mehr finanzierbar. „Viele Kaufinteressenten sind in Wartestellung gegangen, um abzuwarten, welche Auswirkungen diese Situation auf den Immobilienmarkt hat,“ so Bernhard Gut.
Steigendes Interesse
„Seit einigen Wochen ist aber wieder ein deutlich gesteigertes Interesse für die eigenen vier Wände zu spüren – und es werden wieder mehr Häuser und Wohnungen gekauft. Die Situation hat sich allgemein beruhigt und die Preise sind relativ stabil geblieben. Aufgrund der neuen Zinslage bringen Käufer jetzt meistens wesentlich mehr Eigenkapital ein als vor einem Jahr. Interessante Objekte werden jetzt auch wieder zügiger verkauft – aber die Lage und das Objekt müssen stimmen!“, so der Immo-Experte.
Stuttgart hat Zukunft
„Stuttgart als Top-Wirtschaftsstandort hat Zukunft und eine stabile Arbeitsmarktsituation mit sehr gutem Einkommen. Die Nachfrage nach den eigenen vier Wänden ist weiterhin vorhanden und auch weiterhin für viele machbar – wobei es wichtig ist, dass Interessenten mit ihrer Hausbank oder ihrem Finanzierer den finanziellen Rahmen bereits vorab abstecken und herausfinden, was möglich ist. In diesem Rahmen ist es oft doch noch möglich, sich den Traum vom eigenen Zuhause zu verwirklichen“, meint Bernhard Gut.
Laut verschiedener Experten-Aussagen würden sich die Zinsen im Laufe des Jahres noch etwas nach oben bewegen, während die Baukosten relativ stabil bleiben, da sich die Bautätigkeit im Allgemeinen reduziert hat. „Wir gehen davon aus, dass in der Region Stuttgart aufgrund der positiven Arbeitsmarkt-Situation und dem Bedarf für mehr Wohnraum und dem weiterhin vorhandenen Wunsch nach den eigenen vier Wänden die Haus- und Wohnungspreise auch in Zukunft relativ stabil bleiben. Denn was man nicht vergessen darf: Durch die Wohnqualität im eigenen Zuhause erhöht man nicht nur die Lebensqualität, sondern sichert sich gleichzeitig einen Sachwert und eine solide Altersvorsorge“, meint Bernhard Gut.
djd
Bernhard Gut, Geschäftsführer gut Immobilien GmbH, Stuttgart
Foto: gut Immobilien
Rückgang der Investitionen in Immobilien geringer als befürchtet
Hochrechnung des Immobilienverband Deutschland (IVD)
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland insgesamt 329,4 Milliarden Euro auf den privaten und gewerblichen Immobilienmärkten investiert. Damit ist der von vielen Branchenkennern bereits vorhergesagte Rückgang weniger dramatisch als befürchtet. Das Transaktionsvolumen lag mit 23,8 Milliarden Euro beziehungsweise 6,7 Prozentpunkten unter dem Vorjahresvolumen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Hochrechnung des Immobilienverband Deutschland (IVD) auf Grundlage der Daten des Bundesministeriums für Finanzen zum Grunderwerbssteueraufkommen.
„Die Nachfrage insbesondere nach Wohnimmobilien bleibt groß“, sagt IVD-Präsident Jürgen Michael Schick. Mit Blick auf die zurückliegenden fünf Jahre lasse sich feststellen, dass das Transaktionsvolumen im vergangenen Jahr immer noch einen Spitzenwert darstellt. Im Fünf-Jahres-Zeitraum sei nur im Jahr 2021 noch mehr in Immobilien investiert worden.
Schick weiter: „Die Menschen wissen, dass in Zeiten von Inflation und globaler Unsicherheit der Erwerb von Immobilien eine gute Entscheidung ist – auch zugunsten der eigenen Altersvorsorge.“ Mit Investitionen abzuwarten, werde sich nicht auszahlen, sagt der IVD-Präsident.
Die Zinsen würden auch mittelfristig auf dem erreichten Niveau bleiben, eher noch leicht steigen. Schick: „Die Märkte sind auf absehbare Zeit volatil“.
Der Osten Deutschlands legt gegen den Trend zu
Bundesweit zeigt sich ein uneinheitliches Bild: Die östlichen Bundesländer trotzten dem Trend und legten bei den Investitionen in Immobilien sogar zu. Den höchsten Zuwachs verzeichnet Thüringen mit 13,4 Prozent. Auch in Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen wurde im vergangenen Jahr mehr investiert. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern blieb in etwa auf dem Vorjahresniveau. IVD-Präsident Schick stellt fest: „Der Osten holt weiter auf und die Immobilienmärkte in der Region Berlin-Brandenburg gewinnen gemeinsam weiter an Bedeutung.“
Zur Ermittlungsmethode
Das Immobilientransaktionsvolumen beziehungsweise der Immobilienumsatz umfasst sämtliche private und gewerbliche Immobilientransaktionen, für die Grunderwerbsteuer zu entrichten sind. Da die überwiegende Zahl der Transaktionen – mit Ausnahme der Fälle, bei denen Erbschafts- und Schenkungssteuer anfallen sowie Share-Deals – dieser besonderen Umsatzsteuer unterliegen, ist diese Statistik ein probates Mittel, die jährlichen Immobilienumsätze zu erfassen.
Großbaustelle in Berlin