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Experten-Umfrage

Zinsentwicklung und Zinsprognose 2022

Die Nachfrage nach Wohnimmobilien ist befeuert von historisch niedrigen Bauzinsen und einer guten Konjunktur. Mit der deutlich höheren Inflation ziehen die Zinsen an – die Ein-Prozent-Marke für zehnjährige Darlehen ist schon erreicht. Experten rechnen mit weiteren Anstiegen auf bis zu vier Prozent.
Immobiliendarlehen werden von daher 2022 voraussichtlich teurer. Zu diesem Fazit kommt auch die Interhyp AG in ihrem aktuellen Zinsbericht. Die Zinsen für Immobiliendarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung lagen Anfang Januar bei rund einem Prozent und damit etwa 0,3 Prozentpunkte über den Konditionen vom Jahresanfang 2021. Experten erwarten von daher, dass der zuletzt durch die Corona-Unsicherheiten gebremste Anstieg bei den Bauzinsen wieder an Fahrt aufnehmen wird – vor allem, wenn im Frühjahr die Inzidenzen wieder abnehmen und mehr Sicherheit und Zuversicht in die konjunkturelle Entwicklung vorherrscht.

Wichtig: Stets die Trends und Prognosen für Bauzinsen verfolgen
Das allgemeine Zinsniveau verändert sich täglich. Banken gewähren Baudarlehen zu den jeweils marktüblichen Zinssätzen. Der Zeitpunkt, den Sie für den Abschluss einer Baufinanzierung auswählen, entscheidet daher maßgeblich über die Kosten Ihres Immobilienkredites. Die Prognose der Bauzinsen ist für künftige Bauherren ebenso von Bedeutung wie für Käufer eigen- oder fremdgenutzter Immobilien.

Immobilienbesitzer, deren Finanzierung sich in der Zinsbindung befindet, können die derzeit niedrigen Zinsen durch ein Forward-Darlehen für die Zukunft sichern. Mietern, die ihren ständig steigenden Mietenkosten entkommen wollen, wird die Erfüllung eines Immobilienwunsches durch die niedrigen Kreditzinsen erleichtert. Der Zinssatz für ein Baudarlehen ist allerdings nur ein Faktor von vielen beim Erwerb einer Immobilie. Ob ein Kauf wirklich „günstig“ ist, hängt auch von einem angemessenen Kaufpreis sowie von der Lage und Ausstattung einer Immobilie ab.

Märkte werden zunehmend durch negative Faktoren beeinflusst
Von zentraler Bedeutung für die Bauzinsen ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Darüber hinaus beeinflussen aber auch zahlreiche weitere Faktoren die Renditen deutscher festverzinslicher Wertpapiere und damit indirekt die Höhe von Bauzinsen. Auf das Zinsniveau können sich unter anderem auswirken:
• die immer noch nicht vollständig absehbaren Folgen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft,
• der Austritt Großbritanniens aus der EU – und die Unsicherheiten, die sich aus den noch nicht geregelten Handelsbeziehungen erwachsen,
• aktuelle oder latente Finanz- und Wirtschaftskrisen (zum Beispiel in der Türkei und in Italien),
• die instabile Situation im Nahen und Mittleren Osten (Syrien, Irak, Iran) und in Nordafrika (insbesondere in Libyen) sowie
• der wie die Invasion Russlands in die Ukraine.

Insbesondere die Corona-Pandemie wird laut Experten aller Voraussicht nach auch 2022 die Märkte wie kaum ein anderes Thema beeinflussen – und damit ausschlaggebend sein, zu welchen Konditionen Immobilieninteressenten ihr Darlehen aufnehmen können. Denn eine anziehende Konjunktur und die hohe Inflation sprechen dafür, dass die Notenbanken ihre Zinspolitik anpassen. Das wird die Zinsen in der Tendenz nach oben ziehen. Die Entwicklung der Pandemie bleibt von daher eine schwer kalkulierbare Variable.

Lesen Sie nun bitte im Folgenden, was die von der smart-Living-Redaktion befragten Experten dazu meinen, denn sie geben neben ihren Prognosen auch noch wertvolle Hintergrundtipps über die aktuelle Marktsituation.

©Autor: Dietmar Kern

„Die Immobilienpreise sind kräftig gestiegen und werden weiter zulegen.“

Die Immobilienpreise sind kräftig gestiegen und werden weiter zulegen. Dies liegt einerseits am Unterangebot, denn die Nachfrage bleibt auch in der Corona-Pandemie weiterhin hoch. Andererseits ist weiterhin ein grundsätzlicher Treiber vorhanden: das noch immer historisch niedrige Zinsniveau für Häuslebauer. Aber seit Jahresanfang sind die Bauzinsen bereits spürbar gestiegen. Im Zuge der steigenden Inflationsdynamik wird auch die EZB die Zinswende nicht weiter hinauszögern können. Nachdem sie zunächst die Anleihekäufe zurückfahren und dann im vierten Quartal auf null reduzieren wird, erwarten wir den ersten Zinsschritt im ersten Quartal 2023. Wir gehen daher in den nächsten Monaten von einem weiteren Anstieg der Bauzinsen aus. Um sich die niedrigen Zinsen langfristig zu sichern, empfehlen wir lange Zinsbindungen einzugehen. Auch bestehende Zinsbindungen abzusichern kann ratsam sein. Dies ist bereits Jahre vor dem Zinsablauf möglich – insgesamt bis zu 60 Monate.

Johannes Kube
Niederlassungsleiter Privat- und Unternehmerkunden
Commerzbank Stuttgart

Foto: Commerzbank Stuttgart

Eva Grunwald
Leiterin Immobiliengeschäft für Privat- und Firmenkunden in Deutschland
Deutsche Bank

Foto: Deutsche Bank

„Die durchschnittlichen Hypothekenzinsen für Darlehen mit fünf- bis zehnjähriger Zinsbindung lagen im November bei 1,15 Prozent.“

Wir erwarten jedoch, dass sich das Baugeld angesichts einer strafferen Geldpolitik und steigender Kapitalmarktzinsen im laufenden Jahr verteuert. Die Hypothekenzinsen könnten bis Ende 2022 auf 1,45 Prozent steigen. Verglichen mit einem Zinsniveau von 5 Prozent im Jahr 2008 bleibt Wohneigentum somit zinsseitig erschwinglich. Höhere Zinsen und steigende Immobilienpreise könnten aber für eine geringere Erschwinglichkeit in diesem Jahr sorgen.“

„Die Zinsen werden steigen – aber moderat.“

Hohe Inflationserwartungen, bis zu vier Zinsschritte in den USA und neue Anforderungen an kreditgebende Banken – das alles sind Faktoren, die die Zinsen vermutlich weiter steigen lassen. Aber das Aufwärtspotenzial ist eingeschränkt: Bis auf Weiteres hält die EZB an ihrem Kurs der ultralockeren Geldpolitik fest und deckelt damit die Zinsentwicklung. Unterm Strich heißt das: Langfristig werden Immobilienfinanzierungen zwar nicht wieder so günstig wie im Allzeittief 2020 – aber sie verteuern sich nur moderat, und im historischen Vergleich bleibt das Zinsniveau weiterhin niedrig.

Roland Lenz
Spezialist für Baufinanzierung
Dr. Klein, Stuttgart

Foto: Dr. Klein, Stuttgart

Kathrin Alldieck
Leiterin der Interhyp-Niederlassung Stuttgart

Foto: Interhyp AG

„Im Jahr 2022 ist ein Anstieg der Baugeldkonditionen wahrscheinlich.“

Die Unsicherheiten der Corona-Pandemie haben dem Zinsanstieg im vergangenen Jahr noch entgegengewirkt. Wenn im Frühjahr die Inzidenzen wieder abnehmen und mehr Sicherheit und Zuversicht in die konjunkturelle Entwicklung vorherrscht, wird die Zinskurve wieder mehr nach oben gehen. Dies halten wir mit Blick auf die Zinspolitik, Inflation und Konjunkturentwicklung für wahrscheinlich und das ergibt unsere monatliche Befragung von Zinsexperten deutscher Banken. Aufgrund der derzeitigen Marktlage und der Prognosen erwarten wir einen Anstieg im Bereich mehrerer Zehntelprozentpunkte.