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Lob und Kritik für das neue Heizungsgesetz

Die Meinungen über das neue Gebäude-Energie-Gesetz

reichen von „positives Signal“ bis „klimapolitischer Tiefpunkt“

©Autor: Karl Gutbrod

Nach langem Ringen hat sich die Ampel-Koalition Mitte Juni auf Grundzüge eines künftigen Heizungsgesetzes (Gebäude-Energie-Gesetz, kurz GEG, siehe auch Seite 48) geeinigt. Demnach haben zum Bespiel Hauseigentümer rund fünf Jahre mehr Zeit, um auf eine klimafreundliche Heizung umzusteigen. Während dieser Phase soll eine verpflichtende Wärmeplanung der Städte eingeführt werden. Mehr zum neuen GEG im Innenteil dieser Ausgabe. Das novellierte GEG stieß auf Lob und Kritik aus den Reihen der Experten.

 

Das smartLiving Magazin hat Experten zu diesem Thema um ihre Meinung gefragt.

Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland wertete die Einigung als positives Signal. „Eine Kernforderung von uns war und ist, dass zuerst eine kommunale Wärmeplanung vorliegen muss, bevor Eigentümer zu teuren Heizungseinzellösungen verpflichtet werden dürfen. Das muss nun konsequent auch in kleineren Kommunen mit bis zu 10.000 Einwohner umgesetzt werden“, kommentierte Verbandschef Kai Warnecke. Der ländliche Raum dürfe gegenüber den größeren Städten nicht benachteiligt werden.
Er kritisierte, dass es beim grundlegenden Konstruktionsfehler des Gesetzes bleiben werde: kleinteilige ordnungsrechtliche Vorgaben. „Wir halten eine reine Orientierung an einem CO2-Preis ohne Ordnungsrecht verbunden mit einem Klimageld nach wie vor für die bessere klima- und sozialpolitische Lösung. Wenigstens das Klimageld muss jetzt endlich kommen!“, forderte Warnecke.
Hinsichtlich der von der Ampel-Koalition geplanten Maßnahmen für Mieter und Vermieter sieht Haus & Grund noch viel Klärungsbedarf. „Zwei Drittel der Mietwohnungen werden von privaten Kleinvermietern angeboten. Es wird wichtig sein, eine auf diese Gruppe abgestimmte Lösung zu finden. Die angekündigte zusätzliche Modernisierungsumlage muss einfach zu handhaben und Fördermittel müssen dauerhaft zugänglich sein“, erklärte Warnecke.

Dr. Kai H. Warnecke

Präsident Haus & Grund Deutschland e.V.

Foto: Haus & Grund Deutschland e.V.

Lukas Siebenkotten

Präsident des Deutschen Mieterbundes

Foto: Deutscher Mieterbund

Tatsächlich zeigt sich der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, besorgt. Im Interview mit Bayern 2 warnte er davor, dass durch das Gesetz „Mieterinnen und Mieter noch mehr zur Kasse gebeten werden als das bisher der Fall ist. Was an zusätzlichen Kosten für neue Heizungen anfällt, das muss aus Fördertöpfen des Staates kommen, und das kann nicht beim Mieter abgeschöpft werden“. Und gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) meinte er: „Statt die bestehenden Modernisierungsumlage endlich sozial gerecht zu reformieren und deutlich abzusenken, soll sogar eine weitere Modernisierungsumlage eingeführt werden“.

Insgesamt gesehen begrüßt die Energiewirtschaft den Kompromiss der Ampel-Koalition. Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gegenüber der dpa: „Der erste Schritt wird vor dem zweiten gemacht. Erst wird die Infrastruktur angeschaut, dann wird über das Haus entschieden“. Zum Wärmeplanungsgesetz, das mit dem GEG gekoppelt wird und ebenfalls zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt, meinte Andreae: „Eine Wärmeplanung auf kommunaler Ebene bietet einen verbindlichen Fahrplan hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung. Wenn die Rahmenbedingungen richtig ausgestaltet sind, gibt sie sowohl Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern als auch den beteiligten Kommunen und Unternehmen Planungssicherheit und verhindert Fehlinvestitionen. Aus Sicht des BDEW ist ein verbindlicher und bundeseinheitlicher, aber auch praktikabler Rahmen für die kommunale Wärmeplanung entscheidend, um die Wärmewende vor Ort umzusetzen. Das bedeutet konkret: Das Wärmeplanungsgesetz sollte für alle Kommunen gelten. Dabei sollten gerade auch ländliche und dünner besiedelte Gebiete miteingeschlossen werden. Zudem sollte das Wärmeplanungsgesetz klare Kriterien für die Transformationspläne der Netzbetreiber enthalten. Mit Blick auf die Datenerhebung und den Datenschutz gibt es zwar kleinere Verbesserungen im Vergleich zum ersten bekannt gewordenen Gesetzentwurf. Um das Gesetz für die Kommunen und die betroffenen Unternehmen praktikabler zu machen, müssen die Vorgaben mit Blick auf Detailtiefe und Menge der zu liefernden Daten weiter reduziert werden.
Die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung meinte allgemein zur Wärmewende: „Dafür benötigen wir ein Gesamtkonzept. Dazu gehört neben dem Gebäudeenergiegesetz unter anderem das Wärmeplanungsgesetz. Es ist gut, dass die Bundesregierung nun eine enge Verzahnung der beiden Gesetze plant. Dieser Gedanke muss nun trotz der geplanten zeitnahen Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes sinnvoll umgesetzt werden.“

Kerstin Andreae

Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)

Foto: Thomas Imo/Photothek-bdew

Helmut Dedy

Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages

Foto: Veloplan

Ähnlich äußerte sich Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages: „Wärmeplanung first, das ist die richtige Reihenfolge für die Wärmewende. Die Städte unterstützen ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 aus dem Heizen mit fossilen Brennstoffen auszusteigen. Es ist richtig, dass die kommunale Wärmeplanung jetzt ausdrücklich zur Grundlage für die Wärmewende in den Städten gemacht wird und das Gebäudeenergiegesetz mit dem Wärmeplanungsgesetz verzahnt werden soll. Denn die Menschen sollten wissen, welche klimaneutrale Heizungsart für ihre Stadt und das eigene Viertel sinnvoll ist und ausgebaut werden soll.“

Dedy weiter: „Die Wärmewende und der Ausbau der Wärmenetze sind kein Sprint, sondern ein Marathon auf dem Weg zu klimaneutralen Städten. Die Wärmeplanungen werden in den Städten mit Hochdruck vorangetrieben. Eine deutschlandweite kommunale Wärmeplanung wird bis spätestens 2028 angestrebt, das scheint machbar. Wichtig ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren, dass die Fristen gut aufeinander abgestimmt werden und die Rahmenbedingungen auch langfristige Investitionen ermöglichen. Neben der individuellen Förderung für Hauseigentümer sollte auch der Aus- und Umbau der kommunalen Wärmenetze gefördert werden.“

Auch der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, zeigt sich zuversichtlich: „Mit der erzielten Einigung der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist ein wichtiger Schritt gelungen, um die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes an wesentlichen Stellen zu verbessern. Entscheidend ist jetzt, dass die vereinbarten „Leitplanken“ der Ampelparteien keine reinen Absichtserklärungen bleiben, sondern sachgerecht in Gesetzesform gegossen und ausformuliert werden.“
Für den Handwerkspräsidenten wurden bei den Änderungen am Gesetzentwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) zentrale Forderungen des Handwerks aufgegriffen: „Dazu gehört etwa die richtige „Reihenfolge“, wonach erst beim Vorliegen einer kommunalen Wärmeplanung die Verpflichtung zum Einsatz von 65 Prozent Erneuerbaren Energien greift. Das entzerrt die Fristen und dürfte auch dazu führen, dass die kommunale Wärmeplanung und deren rechtliche und politische Vorgaben für Bestandsgebäude richtigerweise vorangeht. Auch ist das Bekenntnis zu einer echten Technologieoffenheit richtig und positiv. Dass insbesondere Holzpellets und die Nutzung von Holzabfällen für holzverarbeitende Betriebe weiter möglich sind, ist gut und wichtig.“

Jörg Dittrich

Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH)

Foto: wikipedia-hawekam

Axel Gedaschko

Präsident des Spitzenverbands
der Wohnungswirtschaft GdW

Foto: GdW/Urban Ruths

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW erkennt die Bemühungen in dem von der Ampel-Koalition gefundenen Kompromiss beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) und begrüßt die nun etwas abgemilderten Fristen für den vorgesehenen  Heizungsaustausch. Es bestehe aber noch große Unklarheit in den bekannt gewordenen Leitlinien der Koalitionspartner,  insbesondere bei der notwendigen Förderung sowie der Modernisierungsumlage.

„Es ist enorm wichtig für den Erfolg der gesamten Energiewende, dass die Vorgaben für einen Heizungstausch künftig an das Vorliegen einer kommunalen Wärmeplanung vor Ort gekoppelt werden. Nur so entsteht echte Planungs- und Investitionssicherheit für die sozial orientierten Wohnungsunternehmen. Völlig unklar ist allerdings, was mit der angedeuteten verbesserten Förderkulisse sowie möglichen Anpassungen der Modernisierungsumlage gemeint ist. Das muss im jetzt anstehenden parlamentarischen Verfahren dringend im Sinne der sozial orientierten Vermieter und ihrer Mieter geklärt werden, so dass sie bei der Wärmewende nicht komplett überfordert werden“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko.

Mieter und Vermieter dürften laut GdW beim geforderten Heizungstausch im Rahmen des GEG keinesfalls gegenüber selbstnutzenden Eigentümern benachteiligt werden. Die Förderung für privaten Wohnraum muss eins zu eins auf die sozial orientierten Wohnungsunternehmen übertragen werden und eins zu eins den Mietern zugute kommen.
„Zum jetzigen Zeitpunkt steht noch völlig in den Sternen, wie die dringend notwendige Förderung aussehen wird. Was keinesfalls geschehen darf, ist, dass sozial orientierte Vermieter, die für einen Teil ihrer Sanierungsprojekte einen erhöhten Fördersatz in Anspruch nehmen, für ihre weiteren Projekte mit einer abgesenkten Modernisierungsumlage bestraft werden. Denn gerade die sozial orientierten Wohnungsunternehmen mit geringen Durchschnittsmieten von im Schnitt nur 6,22 Euro pro Quadratmeter stehen angesichts der massiven Investitionen jetzt schon mit dem Rücken zur Wand und können das finanziell nicht abfedern. Das dafür notwendige Eigenkapital existiert bei ihnen schlicht nicht“, sagt Gedaschko.
Mit Blick auf die enormen Investitionssummen, die für die Umstellung der Energieversorgung in den kommenden Jahren notwendig sind, müssten gerade in dieser entscheidenden Phase alle an einem Strang ziehen und ihren finanziellen Beitrag zur Energiewende leisten. Es darf daher gerade jetzt keine Abstriche bei der Modernisierungsumlage geben, sondern die finanziell schwächeren Haushalte müssen gezielt und sozial gerecht entlastet werden. Notwendig ist hierfür, über eine allgemeine Grundförderung von 40 Prozent hinaus, ein zielgerichteter Förderaufschlag von weiteren 20 Prozent für die sozial orientierten Vermieter, bei denen die Mieter zu einem Quadratmeterpreis von unter 7 Euro wohnen. „Diese Förderung wird eins zu eins an die Mieter zu ihrer Entlastung weitergereicht und ist damit das wirksamste denkbare Instrument für eine soziale Umsetzung der Wärmewende“, sagt Gedaschko.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert aufs Schärfste die Gesetzesänderungen. Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin: „Dieses Gebäudeenergiegesetz ist kein Meilenstein, sondern ein Tiefpunkt für die Klimapolitik dieser Bundesregierung. Am schwersten wiegt, dass die Wärmewende bei Bestandsgebäuden auf einen Zeitpunkt nach 2028 und damit auf eine nächste Regierung verschoben wird und das sogar bei einem großen Teil der Neubauten, wo es besonders einfach umsetzbar ist. Das ist klimapolitischer Irrsinn! Darüber hinaus wird das Märchen von wasserstofffähigen Gasheizungen aufrechterhalten und die klima- und umweltschädliche Verbrennung von Holz ermöglicht. Gasheizungen können sogar bis 2045 mit fossilem Gas betrieben werden, wenn Sie nur einen Sticker ‚H2-Ready‘ tragen. Müllverbrennung wird entgegen jeder Vernunft weiterhin als angeblich erneuerbare Energie geadelt. Diese Einigung trägt die Handschrift der FDP, die sich an entscheidenden Punkten durchsetzen konnte. Der Klimaschutz bleibt dabei auf der Strecke und Verbraucherinnen und Verbraucher werden weiterhin mit dem Risiko hoher Energiekosten ihrer Gasheizungen alleine gelassen. Wir fordern die Abgeordneten des Bundestages auf, dieses Gesetz mit diesen katastrophalen Folgen abzulehnen.“

r ist auch preislich nichts zu merken. Im mittleren und unteren Preissegment ist allerdings die Nachfrage deutlich zurückgegangen, da viele Interessenten sich die Finanzierung aufgrund der gestiegenen Zinsen nicht mehr leisten können. Hier haben sich die Preise bereits leicht angepasst.

Barbara Metz

Bundesgeschäftsführerin
der Deutschen Umwelthilfe (DUH)

Foto: Obs/Deutsche Umwelthilfe (DUH) e. V.

Andree Böhling

Campaigner Climate and Energy Greenpeace Germany e. V.

Foto: Isadora Tast/Greenpeace

Im Kompromiss zum Gebäudeenergiegesetzes (GEG), sieht Greenpeace Energieexperte Andree Böhling den Klimaschutz erneut aufgeschoben und eine Kostenfalle für Haushalte: „Mit diesem aufgeweichten Heizungsgesetz rückt das Erreichen der Regierungsziele beim Klimaschutz in weite Ferne. Wenn zunächst die kommunale Wärmeplanung abgeschlossen werden soll, dann werden bis 2028 in den meisten Kommunen weiter klimaschädliche Gasheizungen eingebaut.“
Böhling ist sich sicher, dass der absurde FDP-Fetisch vermeintlicher Technologieoffenheit viele Haushalte in eine Kostenfalle treibe. „Wer sich im Irrglauben an wasserstoff-fähige Gasheizungen jetzt noch eine Verbrennerheizung zulegt, wird künftig jeden Monat bis zu doppelt so viel zahlen, wie ein vergleichbarer Haushalt mit Wärmepumpe.“

Der Greenpeace-Energieexperte weiter: „Jetzt liegt es an den Parlamentarier:innen, die Wirkung des Heizungsgesetzes für den Klimaschutz nochmal deutlich nachzubessern. Der erst für 2027 vorgesehene CO2-Preis im Wärmesektor muss vorgezogen und erhöht werden, soziale Abfederungen gehören jetzt ausgearbeitet. Nicht zuletzt sollten staatliche Zuschüsse für neue Heizungen ausschließlich auf klimafreundliche Technologien begrenzt werden.“

Für die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch scheint eine Koalitionskrise abgewendet, aber das Risiko einer eskalierenden Klimakrise werde durch solches Handeln verstärkt. „Die Entscheidung, dass beim Heizen ein Weiter so erst mit Gas und später mit Wasserstoff möglich sein soll, droht für die Menschen durch massiv steigende CO2-Preise und teurem weil knappen Wasserstoff zur Kostenfalle zu werden“, sagt der Politische Geschäftsführer Christoph Bals.
„Das parlamentarische Verfahren zum GEG und zur kommunalen Wärmeplanung muss nun genutzt werden, um die offenen Fragen des Beschlusses im Sinne von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit zu beantworten. Zwingend ist erstens, nun die Unabhängigkeit der kommunalen Wärmeplanung sicherzustellen, da viele Stadtwerke ein wirtschaftliches Eigeninteresse haben. Um Menschen vor Fehlinvestitionen zu schützen, muss zweitens geklärt werden, was mit in den kommenden Jahren neu gebauten Gasheizungen passieren wird, wenn der Gasnetzbetreiber keine Transformation zu grünem Wasserstoff plant. Drittens besteht jetzt die Chance, durch eine intelligente Förderkulisse sowohl den Ausbau von erneuerbaren Wärme
netzen schnell zu ermöglichen als auch Menschen mit wenig Geld eine wärmepumpentaugliche Teilsanierung und den Einbau einer Wärmepumpe zu ermöglichen.
Das erfordert zum einen, die gestern beschlossene soziale Ausrichtung der Förderprogramme ernst zu nehmen und auf das Prinzip Gießkanne zu verzichten. Und zum anderen, durch die bessere Nutzung von Energieeinspar-Contracting mit zinsvergünstigten Bausparkrediten die Investitionen auch für Menschen sozialverträglich zu ermöglichen, die sonst nicht das Geld dafür hätten,“ so Bals.

Christoph Bals

Politischer Geschäftsführer Germanwatch

 

Foto: WDR