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Die 1500 erbaute ehemalige Zehntscheuer wurde von einer Baugemeinschaft in ein Wohnhaus umgewandelt.
Foto: Johannes-Maria Schlorke

 

Vorbildliche Sanierung:
Umnutzung eines Kulturdenkmals

Die 1500 erbaute ehemalige Zehntscheuer bildete zusammen mit der spätgotischen Galluskirche, dem ehemaligen Dorfschulhaus und dem Wasch- / Backhaus den früheren Ortskern von Derendingen. Jedes dieser drei Gebäude ist inzwischen ein Einzeldenkmal, was mit strengeren Auflagen verknüpft ist, als wenn sie zusammen unter Ensembleschutz stehen würden. Eine Baugemeinschaft aus drei Familien erwarb die Scheune und ließ sich auf das Wagnis ein, das Baudenkmal in ein Wohnhaus umzunutzen.

Gebäudekubus und Außenwände

Beim der Umnutzung entstanden zwei Familienwohnungen: eine kleine Wohnung zur Vermietung und Büroräume für das Architekturbüro Manderscheid, das den Umbau architektonisch betreute.
Die Scheune hatte im 20. Jahrhundert keine nennenswerten Veränderungen erfahren, so wurde der überlieferte Bestand bei der Umnutzung die entscheidende Leitschnur für den Architekten Christoph Manderscheid. Dabei war ihm der Erhalt der bauhistorischen Substanz des Eichenfachwerks genauso wichtig, die Erlebbarkeit der alten Raumwirkung zu bewahren.
Die spiegelsymmetrischen Tennen blieben in den neuen Wohnhallen in ihrer Höhe erhalten. Die früheren Scheunentore erlauben nun als Fenster eine großzügige Belichtung.

1. Die Scheune im Zustand vor der Umnutzung … 2. und danach/ 3. Das gesamte Ensemble blieb als Kulturdenkmal erhalten. / 4. Eingangsbereich im Hof, mit Garage und Zugang zur Außentreppe.
Fotos: Johannes-Maria Schlorke

Dämmung und Nachhaltigkeit

Im Büro und in den Dachräumen der Wohnungen erkennt man jetzt, dank einer Aufsparrendämmung, den großzügigen Lagerraum unter dem historischen Dachstuhl.
Die Dachfensterbänder, welche über den erhaltenen Sparren laufen, belegen, dass das Gebäude nie Dachgauben hatte.
Durch eine aktive kapillare Innendämmung mit Putz und eine angepasste Baukonstruktion blieb die Außenwand erhalten und zeigt sein ursprüngliches Fachwerk weiterhin innerhalb des Ortsbildes.
Neue Fassadenöffnungen wurden zurückhaltend in rechteckige Gefache, die zwischen dem Fachwerk liegen, eingefügt. Dabei liegt die Sonderkonstruktion der Fenster versteckt hinter den Balken in der Dämmputzebene.

Unter den gegebenen Rahmenbedingungen wurde dennoch energetisch ein KfW-Denkmal-Niveau erreicht. Grundlage waren die denkmalpflegerisch und baukonstruktiv intensiv abgestimmten Maßnahmen wie eine Dach- und Bodenplattendämmung in Neubauqualität, eine bauphysikalisch maximierte Innendämmung, hochgedämmte 3-Scheiben-Wärmeschutzfenster, eine kontrollierte Belüftung und eine Flächenheizung mit niedrigem Vorlauf und Vorrichtung zum Anschluss an zukünftige Fernwärme.

An heißen Sommertagen bei geöffneten Fenstern sorgen dann auch die thermischen Höhenunterschiede über drei Geschosse für ein sehr angenehmes Raumklima.

Hinsichtlich der Nachhaltigkeit ist besonders auch der Erhalt von grauer Energie durch die gebliebene Konstruktion und die intensive Verwendung von neuem Holz beim Umbau erwähnenswert.

1. Während des Umbaus: Die kapillare Innendämmung wird angebracht, Fassadenöffnungen werden in Gefache zwischen dem Original-Fachwerk eingefügt. / 2. Bürorraum deas Architekturbüro Manderscheid. / 3.  Obergeschoss, Innenansicht
Fotos:Johannes-Maria Schlorke

Gelungene Umnutzung

Die Sanierung und Umnutzung der unter Denkmalschutz stehenden Zehntscheuer in Tübingen-Derendingen ist unter mehreren Aspekten vorbildlich: die Bauherrschaft in Form einer privaten Baugemeinschaft, dem sensiblen Umgang mit der historischen Substanz sowie der Verwendung klimaneutraler Materialien und Haustechnik, der Nachhaltigkeit und hinsichtlich der architektonischen Ästhetik.

Es wäre wünschenswert, würde diese Sanierung als Anregung bei der Umnutzung ähnlicher historischer Gebäude dienen, anstatt solche Gebäude durch ortsbildzerstörende Neubauten zu ersetzen, was immer noch zu oft geschieht.

Innenansichten 1.–3. Wohnräume / 4.–5. Nassbereiche
Fotos: Johannes-Maria Schlorke

Maßgeblich am Pojekt beteiligt waren:

Architektur:
Architekturbüro Manderscheid, Tübingen
Mitarbeit im Architekturbüro:
Anja Reinhardt, Sabrina Münzer
Bauleitung:
mit Verena Klar
Tragwerk:
Ingenieurbüro Mildner, Tübingen
Beratung Abdichtung Sockelmauerwerk:
Dr. Ulrike Henes-Klaiber
Energieberatung:
Friedrich Rau
Fliesengestaltung Wohnung Süd:
Katja Manderscheid

Längsschnitt und Querschnitt Nord