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Experten-Umfrage

Deutschland hat gewählt –
Was erwarten die Immobilienexperten?

Das Ringen um die neue Regierung nach der Bundestagswahl am 26. September ist zwar noch voll im Gange. Aber die Weichen waren nach den Sondierungsgesprächen rund 14 Tage nach der Wahl relativ schnell in Richtung Ampel gestellt – also einer Dreier-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Sollten die Koalitionsgespräche allerdings scheitern, stünde die Union für eine Jamaika-Koalition (CDU/CSU, Grüne, FDP) oder eine Große Koalition (SPD und CDU/CSU) bereit. Auf den folgenden Seiten stellen wir die programmatischen Inhalte der entsprechenden Konstellationen dar und befragen Immobilienexperten, was sie von der Zukunft erwarten.
Die vor der Bundestagswahl fast täglich veröffentlichten Umfragewerte hatten sich am Tag der Wahl weitestgehend bestätigt. Die SPD, vor Jahresfrist auf Bundesebene noch zur Bedeutungslosigkeit degradiert, erlebte mit ihren neuen Bundesvorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sowie ihrem Spitzenkandidaten Olaf Scholz einen Höhenflug seinesgleichen. Mit 25,7 Prozent der Zweitstimmen und 206 der insgesamt 735 Sitze im Bundestag avancierten die Sozialdemokraten zur stärksten Partei.

Die CDU/CSU hingegen musste herbe Verluste hinnehmen. Mit 24,1 Prozent der Zweitstimmen reduzierte sich deren Anzahl der Sitze auf nunmehr 196 – 49 weniger als noch 2017. Die Grünen steigerten ihr Ergebnis (14,8 Prozent und 118 Sitze) ebenso wie die FDP (11,5 Prozent und 92 Sitze). Die restlichen Sitze gehen an die AfD (83) und die Linke (39), die zwar mit 4,9 Prozent der Zweitstimmen unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben ist, aber durch den Gewinn dreier Direktmandate ihre 4,9 Prozent in die Sitzverteilung mitnehmen konnte.
Das sind 734 Sitze. Fehlt also noch einer. Der gehört dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der nach vielen Jahrzehnten wieder im Bundestag vertreten ist. Als fraktionsloser Abgeordneter wird der Flensburger Stefan Seidler für die von der Fünf-Prozent-Hürde befreite Partei der dänischen Minderheit ins Parlament einziehen. Nach
dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die Partei auf 55.330 Stimmen, für den Einzug in den Bundestag waren mindestens 40.000 Wählerstimmen nötig.

Damit die neue Regierung eine Mehrheit im Parlament erreicht, muss somit eine Koalition geschmiedet werden, die mindestens 368 Sitze vereint. Mehrere Konstellationen sind dafür möglich: Eine Ampel (rot, gelb, grün) käme auf 416 Sitze, eine Jamaika-Koalition nach den Farben der Flagge der Karibikinsel (schwarz, gelb, grün) käme auf 406 Sitze und schließlich wäre auch eine Große Koalition aus SPD und CDU möglich. Sie käme auf 402 Sitze.

 

 

„Wohneigentum muss wieder einen höheren Stellenwert bekommen.“

Trotz niedriger Zinsen und Förderung stagniert die Zahl der Eigentümer. Bei der Versorgung mit Wohnraum ist das Thema Eigentum in den Hintergrund getreten und Ersterwerber werden älter. Es muss mehr für die Eigentumsbildung junger Familien geschehen. Wir brauchen preiswerte Grundstücke und niedrigere Erwerbsnebenkosten. Von der künftigen Regierung wünsche ich mir mehr Einsatz für diese familienfreundliche Wohnform durch einen Beitrag zur Dämpfung der Preise. Ansätze hierfür wären eine niedrigere Grunderwerbsteuer und schnelle, vereinfachte Verfahren.

Dirk Graf
Geschäftsführer
Graf Wohnbau GmbH

Foto:Graf-Wohnbau GmbH

 

 

Immobilienpolitik:
Blick in die Parteiprogramme
Schon in den ersten Sondierungsgesprächen zeichnete sich ein Trend ab: Während sich die Union vor allem mit internen Machtkämpfen beschäftigte, richteten SPD, Grüne und FDP den Blick auf eine Ampel-Koalition. Die FDP, die sich vor vier Jahren nach den Sondierungsgesprächen programmatisch nicht in der Lage sah, sich an einer Regierung zu beteiligen, ist dieses Mal eisern gewillt, dabei zu sein. Schließlich machte FDP-Chef Christian Lindner schon seit Monaten keinen Hehl daraus, dass ihn das Finanzministerium als Ministerposten reizen würde.
Auch die Grünen gingen gleich nach der Wahl in die Offensive. Nach einem kleinen Parteitag Anfang Oktober formulierten sie in einem Antrag: „Wir leiten aus dem Wahlergebnis einen klaren Auftrag ab, Verantwortung für die Gestaltung des Landes zu übernehmen und eine progressive Regierung zu bilden“. Co-Parteichef Robert Habeck sagte dazu: „Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen, werden wir in den nächsten vier Jahren diese Regierung nicht nur mittragen, sondern maßgeblich mitbestimmen.“
Mit den Grünen ist also in jedem Fall zu rechnen und auch die Freien Demokraten wollen aus dem, wie es vor vier Jahren gelaufen ist, gelernt haben. Das schließt im Oktober 2021 eine Regierungsbeteiligung der Union so ziemlich aus. Was das im Hinblick auf die künftige Immobilienpolitik einer möglichen Ampel-Regierung bedeuten würde, lässt sich aus dem Programm der Parteien ablesen.

 

SPD: Bezahlbares Wohnen
Eine Wohnung zu finden, wird in vielen Lagen zu einer immer größeren Herausforderung – selbst mit mittlerem Einkommen, meinen die Sozialdemokraten in ihrem Wahlprogramm: „Wir werden bezahlbaren Wohnraum erhalten und neuen schaffen. Dazu werden wir alle Beteiligten an einen Tisch bringen. Kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, aber auch private Wohnungsunternehmen und Vermieter*innen, die sich einer sozialverträglichen Vermietung verpflichtet fühlen, sollten dabei sein wie auch die Bauwirtschaft und die Gewerkschaften. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten vor allem für den erforderlichen Neubau sowie die Quartiersentwicklung und den Klimaschutz. Nach wie vor ist der Neubau von 100.000 Sozialwohnungen jährlich erforderlich.“

Weiter schreibt die SPD: „Daneben führen wir eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit ein und fördern damit ein zusätzliches nicht gewinnorientiertes Segment auf dem Wohnungsmarkt. In angespannten Wohnlagen werden wir daneben ein zeitlich befristetes Mietenmoratorium einführen, das bedeutet: Mieten können für eine bestimmte Zeit nur im Rahmen der Inflationsrate erhöht werden. Mietwucher werden wir wirksam unterbinden. Wir werden außerdem die Mietpreisbremse entfristen und Schlupflöcher schließen. Das Instrument des qualifizierten Mietspiegels wollen wir bundesweit nach einheitlichen und damit rechtssicheren Kriterien ausgestalten und seine Bedeutung stärken. Mietspiegel dürfen keine bloßen Neumietenspiegel sein. Deshalb werden wir künftig mindestens die vertraglich vereinbarten Mieten der vergangenen acht Jahre bei ihrer Aufstellung heranziehen.“
„Unsere Bodenpolitik wird am Gemeinwohl orientiert“, sagen die Sozialdemokraten. „Bund, Länder und Kommunen sollen öffentliches Eigentum an Grundstücken sichern und vermehren, um die Spekulation mit Grund und Boden zu stoppen. Dazu ist das Vorkaufsrecht für Kommunen zu fairen Preisen wichtig. Wir werden dazu beitragen, dass kommunale Wohnbauflächen nicht veräußert werden, Flächen zurückerworben werden und öffentliches Bauland nur auf dem Weg der Erbpacht für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt wird. Mit der Schaffung von Bodenfonds unter Einbeziehung bundeseigener Grundstücke erhalten Kommunen ein Instrument für die nachhaltige Stadtentwicklung und bezahlbaren Wohnungsbau.

Wohneigentum fördern
Wohneigentum dient nicht nur der Versorgung mit Wohnraum, sondern auch der Vermögens- und Alterssicherung. So steht im Programm: „Um insbesondere jungen Familien den Weg zu den eigenen vier Wänden zu erleichtern, werden wir in angespannten Wohnlagen den Erwerb von Genossenschaftsanteilen erleichtern. Wir werden Mietkaufmodelle fördern und ein Programm ,Jung kauft Alt‘ für den Erwerb von Bestandsimmobilien insbesondere in vom Leerstand betroffenen Ortskernen auflegen.“
Weiter steht: „Menschen, die in Obdachlosigkeit abgerutscht sind, müssen wir als Gesellschaft nachhaltig helfen. Deshalb wollen wir eine flächendeckende Umsetzung von Housing-First-Konzepten in den Städten und Kommunen voranbringen. Die sehr hohen Erfolgsquoten dieser Projekte ermöglichen die Rückkehr in die eigene Wohnung und damit ein Leben in Würde.“

Das Zukunftsprogramm der SPD verstärkt die Strukturveränderungen in den Innenstädten und Stadtteilzentren. Das betrifft den Einzelhandel, die Gastronomie und das Hotelgewerbe ebenso wie Museen, Theater, Büchereien und
Kinos. Dazu die SPD: „Die gemeinsam mit den Ländern getragene Städtebauförderung sichern wir ab. Wir unterstützen die Städte dabei, die Innenstädte lebendig zu halten und notwendige Nutzungsänderungen mitgestalten zu können, unter anderem durch eine Mietpreisbegrenzung, einen Mieterschutz im Gewerbeimmobilienbereich, durch Konzepte zur Revitalisierung von Standorten und die Förderung von Co-Working-Spaces in den Innenstädten. Ein besonderes Augenmerk werden wir auf die Entwicklung im ländlichen Raum legen. Wir werden generationenübergreifende, alternative und barrierefreie Wohnformen in Städten und Quartieren fördern.“

 

 

Bernhard Gut
Geschäftsführer
gut Immobilien GmbH Stuttgart

Foto: gut Immobilien

„Die Immobilienpreise sind kräftig gestiegen und werden weiter spürbar zulegen.“

Die Immobilienpreise [in der Region Stuttgart] sind kräftig gestiegen und werden weiter spürbar zulegen. Dies liegt zum einen am Unterangebot, denn die Nachfrage durch Nachzug und mehr Single-Haushalte wächst weiterhin kräftig. Aber auch die grundsätzlichen Treiber bleiben erhalten: Die EZB macht Kredite für Häuslebauer günstig und andere Investitionen für Anleger unrentabel. Denn sie hat im Zuge der Corona-Pandemie die Geldschleusen eher noch weiter geöffnet und damit die Zinsen zunächst weiter gedrückt. Seit Jahresanfang sind die Bauzinsen aber bereits moderat gestiegen. Wegen höheren Inflationserwartungen gehen wir davon aus, dass dieser Trend vorerst anhält. Das Zinsniveau bleibt aber immer noch historisch niedrig. Um sich die niedrigen Zinsen jetzt langfristig zu sichern, empfehlen wir lange Zinsbindungen einzugehen. [Die Dauer der Zinsfestschreibung sollte sich immer an die jeweiligen Kundenbedürfnisse anlehnen.] Auch bestehende Zinsbindungen abzusichern, kann ratsam sein, beispielsweise durch den Abschluss eines Forward-Darlehens. Dies ist bereits Jahre vor dem Zinsablauf möglich – insgesamt bis zu 60 Monate.

 

Bündnis 90/Die Grünen:
Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum
Unter der Zwischenüberschrift „Ein Recht auf Wohnen ins Grundgesetz“ heißt es im Programm der Grünen wörtlich: „Alle Menschen brauchen angemessenen Wohnraum. Wohnen ist ein Recht. Aber es wird immer schwieriger, überhaupt Wohnungen zu finden. Und die Mieten und Immobilienpreise steigen vielerorts immer noch weiter. Großstädte teilen sich immer stärker in Einkommensstadtteile auf, Innenstädten geht das Leben verloren. Deshalb gilt es zu handeln, damit gerade auch Familien und Alleinerziehende, Studierende, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder Geringverdiener*innen nicht in Bedrängnis geraten, sondern weiter gut und sicher wohnen können. Wir wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen. Knapp 700.000 Menschen sind derzeit wohnungslos in Deutschland, mehr und mehr Familien. Um diesen Zustand zu beenden, wollen wir ein Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen.“

Krisenbedingte Wohnungsverluste verhindern
Die Grünen wollen „Mieter*innen entlasten und vor einem krisenbedingten Verlust der eigenen Wohnung bewahren. Die Möglichkeit, die Miete nachzuzahlen, soll Zwangsräumungen verhindern. Bei krisenbedingten Einkommensausfällen soll ein Programm der KfW Bank („Sicher-Wohnen-Fonds“) eine finanzielle Unterstützung von Mieter*innen sicherstellen. Vermieter*innen, die auf diese Mietzahlungen angewiesen sind, sollten dann eine staatliche Unterstützung erhalten.

Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum
Unter diesem Untertitel steht: „Wir wollen neuen Wohnraum schaffen – und zwar vor allem familiengerecht, öffentlich und gemeinwohlorientiert. Stattdessen gehen immer noch viele weitere Sozialwohnungen verloren – rund 100 jeden Tag. Unser Vorbild ist die Stadt Wien, die mit ihrem großen Anteil an gemeinnützigem und für breite Schichten bezahlbarem Wohnraum eine ausgewogene Mischung sicherstellt. Wir werden deshalb die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen und verstetigen, statt sie zu kürzen. Wir werden die Kommunen unterstützen, ihre bestehenden Wohnungsgesellschaften zu stärken und neue zu gründen. Dazu wollen wir mit einem Bundesprogramm „Neue Wohngemeinnützigkeit“ für eine Million zusätzliche, günstige Mietwohnungen in den Ballungsräumen sorgen, sicher und auf Dauer. Die noch vorhandenen bundeseigenen Bestände sollen nicht mehr an private Investor*innen veräußert, sondern ausschließlich verbilligt an Kommunen mit einer dauerhaften Sozialbindung abgegeben werden. So wollen wir in den nächsten zehn Jahren den Bestand an Sozialwohnungen um eine Million erhöhen.

Starke Mieter*innen, faire Mieten
Viele Menschen geben einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Wohnung aus, viele können sich ihre Mieten nicht mehr leisten, so die Grünen. Wörtlich heißt es: „Unser Ziel sind deshalb faire und bezahlbare Mieten und starke Rechte für Mieter*innen. Konkret wollen wir Mietobergrenzen im Bestand mit einem Bundesgesetz ermöglichen und die Mietpreisbremse entfristen und nachschärfen. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden.

Spekulation mit Bauland und Geldwäsche
am Wohnungsmarkt beenden
Wohnen ist für die Grünen ein soziales Grundrecht und der Wohnungsmarkt kein Ort für Spekulant*innen. „Zu häufig werden Immobilien zur Geldwäsche genutzt, das gilt es zu beenden. Ein entscheidender Hebel ist Transparenz. Deshalb planen wir, ein Immobilienregister der Eigentümer*innen einzuführen, die Grundbücher bei begründetem Interesse kostenfrei zugänglich zu machen und Bargeld beim Immobilienverkauf zu verbieten. Außerdem wollen wir den Missbrauch von sogenannten „Share Deals“ zur Steuerumgehung beenden und setzen auf eine anteilige Besteuerung des Immobilienbesitzes bei Unternehmensverkäufen.

Grund und Boden gemeinwohlorientiert
Unter dieser Zwischenüberschrift heißt es: „Boden unterscheidet sich von anderen Gütern, weil er prinzipiell nicht vermehrbar ist. Bei Fehlentwicklungen ergibt sich hieraus eine besondere Verpflichtung, staatlich einzugreifen. Knappheit von und Spekulation mit Boden führt zu steigenden Preisen und Mieten. Wir wollen erreichen, dass die öffentliche Hand wieder eine strategische Bodenpolitik betreibt. Der Bund soll seine eigenen Immobilien nicht länger meistbietend verkaufen, sondern gezielt die Schaffung von bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum fördern.“

Erwerb von Wohneigentum erleichtern,
Courtage begrenzen
Für die Grünen ist „Wohneigentum für viele Menschen ein Lebenstraum, der wegen explodierender Immobilienpreise in den meisten Regionen des Landes immer schwerer zu erfüllen ist. Wir wollen den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Deshalb soll das Prinzip, wer den Makler bestellt, bezahlt, genauso für Immobilienkäufe eingeführt werden, so wie es für Maklerprovisionen bei Vermietungen bereits gilt. Wir streben an, die Courtage auf zwei Prozent zu begrenzen, damit sie nicht auf verstecktem Weg zu noch höheren Kaufpreisen führt. Dazu wollen wir die Kaufnebenkosten weiter senken, indem wir es den Ländern ermög-
lichen, den Steuersatz der Grunderwerbssteuer beispielsweise für große Wohnungsunternehmen zu erhöhen und für private Käufer*innen zu senken. Wir wollen Mietkauf für selbstgenutztes Wohneigentum über die Länder und Kommunen fördern, auch den Kauf und die Modernisierung leerstehender Wohnungen und Ausbauten zu günstigem Wohnraum unterstützen wir. Beteiligungen an Genossenschaften und den gemeinschaftlichen Erwerb durch Mieter*innen wollen wir unterstützen, zum Beispiel indem wir günstige Kredite oder Bürgschaften gewähren.“

Ressourcenschonendes und
nachhaltiges Bauen vorantreiben
Unter diesem Kapitel heißt es: „Wir können die Klimaziele nur mit einer Bauwende hin zu ressourcenschonendem und nachhaltigem Bauen erreichen. Bei Städtebau und Gebäudeplanung sind Stoff- und Energieverbrauch bei Herstellung und Betrieb sowie das spätere Recycling durchgängig für alle Gebäude zu berücksichtigen. Konkret setzen wir auf ein Gebäude-Ressourcen-Gesetz und eine Holzbaustrategie, damit wir mit mehr nachwachsenden Rohstoffen bauen können. Wir fördern außerdem die Digitalisierung der Planung am Bau. Um den Flächenverbrauch zu reduzieren, setzen wir auf behutsame Nachverdichtung und unterstützen die Kommunen dabei mit Förderprogrammen.

 

„Die Herausforderungen für die nächste Regierung sind enorm.“

Am 26. September 2021 fand die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag statt. Die Herausforderungen für die nächste Regierung sind enorm. Die Covid-19-Pandemie hat dazu geführt, dass die Klima- und Mobilitätswende in weiten Teilen des Gebäudebereichs zum Stillstand gekommen ist, da Beschlüsse für notwendige Sanierungsmaßnahmen praktisch vollständig ausgeblieben sind. In der Baupolitik wurde darüber hinaus das selbst gestecke Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen in dieser Legislaturperiode verfehlt; im Bereich Wohnen hat unter anderem der gescheiterte „Berliner Mietendeckel“ sowie die Diskussion über „Enteignungsdebatte größerer Wohnungskonzerne“ für Verunsicherung in der Branche gesorgt.
Vor diesem Hintergrund wird schnelles und entschlossenes Handeln erforderlich sein, um die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Es wird sich weisen, ob die Parteien mit ihren zahlreichen und sehr unterschiedlichen Wahlprogrammen in den Bereichen Klima, Energie, Bauen und Wohnen diese Hürde meistern werden.

Eugen Mönig
Geschäftsführer
Mönig Immobilienmanagement GmbH

Foto: Mönig Immobilienmanagement GmbH

 

FDP: Mehr Flächen mobilisieren
Das Bauland und somit auch der Wohnraum in den Städten wird knapper, die Mieten steigen immer weiter. Dagegen hilft für die Freien Demokraten vor allem: „Mehr Flächen mobilisieren und mehr bauen. Enteignungen, Mietpreisbremse oder Mietendeckel sorgen letztlich für weniger Wohnraum. Auch der Traum vom Eigenheim rückt durch hohe Kosten für immer mehr Menschen in weite Ferne. Wir Freie Demokraten wollen dafür sorgen, dass Wohnen auch in Zukunft bezahlbar bleibt und sich der Traum vom Eigenheim für mehr Menschen erfüllen lässt.

Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer,
Wohneigentum fördern
„Wir Freie Demokraten wollen die Bürgerinnen und Bürger beim Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum entlasten. Dazu wollen wir bei der Grunderwerbsteuer einen Freibetrag von bis zu 500.000 Euro für natürliche Personen einführen. Der Freibetrag soll wiederauffüllbar sein, damit er bei einem Verkauf für einen neuen Erwerb wieder zur Verfügung steht. Dadurch erleichtern wir es den Menschen, ihren Traum vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung zu verwirklichen und zugleich für das Alter vorzusorgen. Und weiter zu diesem Thema: „Für mehr Steuergerechtigkeit wollen wir zudem die missbräuchliche Umgehung der Grunderwerbsteuer durch Immobilieninvestoren mittels sogenannter Share Deals mit einer Gesetzesänderung verhindern.“

Baukosten-TÜV
„Wir Freie Demokraten wollen Bauen günstiger machen. Durch die Vielzahl von Vorschriften entstehen massive Kosten. Daher wollen wir einen Baukosten-TÜV einführen, der neue Regelungen auf ihre Kosten für Bauen und Wohnen ermittelt. Unser Ziel ist es, kostenverursachende Normen zu vermeiden und den Entscheiderinnen und Entscheidern eine transparente Grundlage für ihr Handeln zur Verfügung zu stellen. Insbesondere EU-Richtlinien dürfen nicht über das erforderliche Maß hinaus umgesetzt werden. Die Empfehlungen der Baukostensenkungskommission erfordern eine konsequente Umsetzung. Ebenso wollen wir auch bestehende kostensteigernde Regelungen kritisch überprüfen und gegebenenfalls anpassen.“

Vorrang für Wohnungsbau –
Mietendeckel abschaffen, Abschreibung erhöhen
Zu diesen Themenbereichen meint die FDP: „Wir Freie Demokraten wollen die Mietpreisbremse abschaffen und einen bundesweiten Mietendeckel verhindern. Die Möglichkeiten zur Abschreibung für Wohnungsbauinvestitionen wollen wir verbessern. Die lineare Abschreibung muss von zwei auf drei Prozent erhöht werden. Darüber hinaus ist die Aktivierung von Bauland notwendig, beispielsweise durch eine stärkere Zusammenarbeit der Länder mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Mietpreisbremse und Mietendeckel schaffen nachweislich keine neuen Wohnungen und haben sogar zu einer Verknappung des Angebots geführt. Auch die zahlreichen Regelungen im Rahmen sogenannter Erhaltungsverordnungen oder das immer komplexer werdende Mietrecht machen die Vermietung von Wohnraum unnötig kompliziert.“

Baugenehmigungen beschleunigen
Die FDP strebt an, die Genehmigungsverfahren vor dem Bauen zu beschleunigen. Wörtlich: „Dazu wollen wir die Chancen des seriellen und modularen Bauens nutzen sowie ein digitales und teilautomatisiertes Baugenehmigungsverfahren entwickeln. Die Bauordnungen aller Länder müssen harmonisiert werden, sodass dort einheitliche Anforderungen an den modularen und seriellen Bau enthalten sind. Ferner muss die sogenannte Genehmigungsfiktion gesetzt werden: Wenn die Bauherrin oder der Bauherr alle Unterlagen vorlegt und die Behörde nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf den Antrag reagiert, gilt er als genehmigt und die Bautätigkeit kann beginnen.

Baulückenkataster erstellen, Dachausbau fördern, Innenentwicklung forcieren
Die Freien Demokraten planen, ein Baulücken- und Potentialflächenkataster einzuführen. Dazu im Programmtext: „Auf dessen Grundlage können die Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten konkrete Zeit- und Maßnahmenpläne zur Bebauung dieser Flächen entwickeln. Hindernisse bei der Wiederverwertung von Brachflächen sind konsequent zu beseitigen. Der Bund muss die Länder im Rahmen der Bauministerkonferenz außerdem zu einer Entbürokratisierung des Dachausbaus und der Dachaufstockung, etwa bei der Stellplatz- und Aufzugspflicht, anhalten und mittels der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein entsprechendes Förderprogramm auflegen.

Digitaler Bauantrag
Die Freien Demokraten wollen den digitalen Bauantrag einführen, um die Bearbeitung zu vereinfachen, zu beschleunigen und teilweise zu automatisieren. „Denn die Arbeitsabläufe und Verfahren in den Genehmigungsbehörden sind aus der Zeit gefallen. Wie bei der Steuererklärung wollen wir für alle Antragsteller ein bundesweit zentrales digitales Portal schaffen, mit dem digitale Bauanträge eingereicht werden können.

Soziales Wohnen
Dazu steht im Wahlprogramm: „Wir Freie Demokraten wollen für Menschen mit niedrigem Einkommen einen echten Zugang zu günstigem Wohnraum schaffen. Dazu muss sich die soziale Wohnraumversorgung an der potentiellen Mieterin beziehungsweise am potentiellen Mieter und nicht nur am Bau von neuen Sozialwohnungen orientieren. Wir wollen zahlungsschwachen Wohnungssuchenden den Zugang zum freien Wohnungsmarkt mithilfe des Wohngeldes erleichtern. Erst wenn dort die Wohnungssuche erfolglos bleibt, soll die Berechtigung auf Bezug einer Sozialwohnung erteilt werden.“

 

Gert G. Clement
Geschäftsführender Gesellschafter
Singer Wohnbau GmbH

Foto: Singer Wohnbau GmbH

„Die Eigentumsquote muss nach oben.“

Es ist zu hoffen, dass sich die politischen Kräfte an vorwärts gerichteten Zielen orientieren werden. Wir benötigen einen Bürokratieabbau, die Beschleunigung der Prozesse auf den Verwaltungsebenen sowie die Stärkung des Mittelstands durch die Möglichkeit eines jeden, sich Wohneigentum zu leisten. Die Eigentumsquote muss nach oben.
Der Immobilienmarkt selbst wird weiterhin angespannt bleiben, da die Änderungen trotz eines möglichen Veränderungswillens Zeit benötigen werden, um Effekte zu erzielen. Vor allem für Familien ist das Angebot sehr dünn. Darauf muss der Markt reagieren.

„Die nach der Bundestagswahl 2021 möglichen Regierungskoalitionen werden mittelfristig keine Trendwende in der wohnwirtschaftlichen Immobilienbranche bewirken können.“

Bedingt durch das weiterhin geringe Angebot an Bestandsimmobilien und die langsam nachwachsenden Neubauangebote, wird auch weiterhin ein deutlicher Nachfrageüberhang dem Angebot gegenüberstehen.
Weiterhin ist mit einer, wenn auch nicht mehr so starken, Preissteigerung für die nächsten Jahre zu rechnen, gestützt durch die weiterhin günstigen Baufinanzierungskonditionen.

Armin Schneider
Geschäftsführer
Volksbank Stuttgart Immobilien GmbH

Foto: Volksbank Stuttgart Immobilien GmbH

 

CDU/CSU: Andere Gewichtung
in der Immobilienpolitik
Sollte wider Erwarten die CDU/CSU doch noch zum Zuge kommen, würde das, was die Immobilienpolitik anbelangt, durchaus einen Unterschied zu einer Ampel-Koalition ausmachen, vor allem was die Ausrichtung von rot-grün anbelangt. So steht im Wahlprogramm der CDU: „Unser Unionsversprechen: Wir arbeiten für eine gute Lebensqualität überall in Deutschland. Ob großstädtischer Kiez, Kleinstadt oder Dorf: Wir respektieren und schützen jede Form von Heimat. Wir sind eine offene Gesellschaft, in der alle ihre Träume verwirklichen können – und niemand eingeredet bekommen darf, wie er zu wohnen und zu leben hat.“

Unter der Zwischenüberschrift „Gutes Wohnen in lebendigen Dörfern und Städten“ wird es konkret: „Die eigenen vier Wände sind unser Zuhause, ein ganz hohes Gut. In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, eine Wohnung zu haben, in der man sich wohlfühlt und Platz hat zum Leben und auch, um zumindest zeitweise, dort zu arbeiten. Genug Wohnraum in einem intakten Umfeld ist ein Ziel von CDU und CSU. Wo Wohnraum teuer ist oder fehlt, wie in vielen Großstädten, heißt unsere Devise: mehr, schnell, modern und bezahlbar bauen. Wo Gebäude alt sind, gilt es, sie auf den heutigen Stand zu bringen und energetisch zu sanieren. Der Wunsch nach einem Eigenheim soll schneller in Erfüllung gehen. Eine Politik gegen Einfamilienhäuser ist gegen die Interessen der Menschen und mit uns nicht zu machen.“ Weiter heißt es: „Der beste Mieterschutz ist und bleibt ausreichender Wohnraum“, was im Detail bedeutet: „Wir setzen nicht auf rechtlich fragwürdige und ungeeignete Eingriffe, wie den Mietendeckel, sondern packen das Problem an der Wurzel. Nur wenn das Wohnungsangebot steigt, können Mieten stabil bleiben.“

© Autor: Karl Gutbrod