„Auf in die Zukunft, altes Haus“
Aktuelle Chancen & Risiken – eine Experten-Umfrage
Inflation, steigende Zinsen sowie der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen haben starke Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und den Energiesektor. Die gravierenden Veränderungen beeinflussen auch die Immobilienwirtschaft. „Wie entwickeln sich Bestandsimmobilien vor diesem Hintergrund?“ wollten wir in einer Experten-Umfrage wissen.
Die Unsicherheiten bei Immobilienkäufern sind derzeit groß: Die Auswirkungen auf die Wirtschaft durch den Krieg in der Ukraine lassen sich nur schwer abschätzen. Zudem sind die Zinsen für Baudarlehen seit Jahresbeginn deutlich gestiegen. Bisher hat das aber noch keinen Einfluss auf die Kaufpreise: Laut immowelt Preiskompass haben sich in 13 von 14 untersuchten Großstädten die Angebotspreise von Bestandswohnungen im 1. Quartal 2022 weiter verteuert.
Die Preisdynamik scheint sich bisher auch nicht abzuschwächen. Im Gegenteil: Sie nimmt trotz hoher Preise zum Jahresanfang nochmal an Fahrt auf. In 6 der 14 Städte fallen die prozentualen Anstiege stärker aus als in den drei Monaten zuvor. In weiteren sechs Städten ist die Verteuerung genauso hoch. Lediglich in zwei Städten hat sich die Preiskurve etwas abgeflacht.
Bestandswohnungen verteuern sich in Stuttgart am stärksten
In den teuersten deutschen Großstädten müssen Immobilienkäufer immer mehr für Wohnraum bezahlen. In München sind die Angebotspreise von Eigentumswohnungen vom 4. Quartal letzten Jahres zum 1. Quartal dieses Jahres um 2 Prozent gestiegen. Damit setzt sich der Trend aus 2021 weit fort. Bereits seit drei Quartalen in Folge beträgt die Teuerungsrate 2 Prozent. Der Quadratmeter kostet inzwischen 9.552 Euro und damit rund 3.000 Euro mehr als in nächstteuersten Städten Hamburg und Frankfurt. Genauso wie in München erhöhen sich auch in Hamburg die Angebotspreise um 2 Prozent. Schon im letzten Jahr hat Hamburg starke Preisanstiege verbucht. In Frankfurt beträgt das Plus hingegen zum dritten Mal in Folge lediglich 1 Prozent.
Deutlich stärker haben sich Bestandswohnungen in Stuttgart verteuert. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt beträgt die Steigerungsrate 3 Prozent.
Hausbesitzende im Wartestand
Viele Hausbesitzende befinden sich aktuell im Wartestand für die Umsetzung ihrer privaten „Klimawende“. Dass es dabei besonders auf die angekündigten Förderpakete ankommen wird, belegt eine Umfrage der Bausparkasse BHW unter 2.000 Immobilienbesitzenden. 40 Prozent der Befragten wollen in den nächsten fünf Jahren modernisieren, um den CO2-Ausstoß ihrer Immobilie zu senken.
Die Bereitschaft, energetische Maßnahmen an der eigenen Immobilie umzusetzen, variiert stark. Jeder Fünfte (20 Prozent) freut sich, dass die Bundesregierung Tempo machen will, 18 Prozent halten dies jedoch für übertrieben. Mehr als ein Drittel (39 Prozent) will noch abwarten. Während 14 Prozent gleich 2022 Maßnahmen umsetzen möchten, schließen ebenso viele eine Modernisierung ganz aus.
„Eigentümerinnen und Eigentümer erwarten zu Recht Planungssicherheit von der Politik“, erklärt Henning Göbel, Vorstandsvorsitzender der BHW Bausparkasse. „Um den größten Klimaschutz-Effekt zu erzielen, sollten sich die neuen Förderpakete auf die CO2-Reduzierung im Altbaubestand konzentrieren.“ Je nachdem, wie ein Haus ausgestattet ist, geht es dabei um Investitionen von mehreren Zehntausend Euro. Laut BHW-Umfrage würden 42 Prozent der Haus- und Wohnungsbesitzenden für eine Sanierung zwischen 1000 und 10 000 Euro in die Hand nehmen, 27 Prozent über 10.000 bis zu 30.000 Euro.
KfW-Effizienzhaus 70 für bestehende Immobilien
„Auf in die Zukunft, altes Haus: Mithilfe eines Energie-Experten können Sie auch ältere Immobilien energieeffizient gestalten“, meint der Baufinanzierer Dr. Klein. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) helfe bei der Finanzierung zum Beispiel eines KfW-Effizienzhaus 70. Ein KfW-Effizienzhaus 70 ist ein Gebäude, das im Bereich Energieeffizienz einem ganz bestimmten Standard entspricht. Genau genommen verbraucht es 30 % weniger Energie, als das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorschreibt. Die Vorgaben des GEG sollen dazu beitragen, in Deutschland bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Die Verordnung legt unter anderem fest, wie hoch der Primärenergiebedarf und der Transmissionswärmeverlust einer Immobilie maximal bei Neubauten und Bestands-
immobilien ausfallen dürfen. Der Primärenergiebedarf beschreibt die Menge an Energie, die eine Immobilie zum Beheizen und zur Warmwasserbereitung benötigt. Der Transmissionswärmeverlust wiederum gibt an, wie viel Energie ein Haus nach außen hin abgibt. Das KfW-Effizienzhaus 70 ist eine Klasse, die ausschließlich bestehende Immobilien erreichen können, für Neubauten ist sie nicht vorgesehen.
djd
„Ich rechne dieses Jahr – wenn überhaupt – nur mit einer leichten Steigerung der Wohnimmobilien-
preise in Stuttgart.“
Die stark gestiegenen Zinsen von um die 1 % im Sommer letzten Jahres zu aktuell fast 3 % machen es vielen Familien mittlerweile schwer, ihre Wohnträume zu finanzieren. Nach Aussage verschiedener Analysten dürfte der aktuelle Zinstrend anhalten. Die Nachfrage nach Wohneigentum ist jedoch weiterhin hoch. Solange sich die Zinsen auf dem aktuellen Niveau halten, ist zu erwarten, dass die Preise der hiesigen Wohnimmobilien stabil bleiben oder nur leicht ansteigen.
Boris Mayer
Inhaber DAHLER & COMPANY Immobilien
Stuttgart
Foto: DAHLER & COMPANY Immobilien
Julian Tolias
Geschäftsführer TOLIAS Immobilien GmbH
Stuttgart
Foto: TOLIAS Immobilien GmbH
„Auch stark steigende Zinsen lassen die Immobilienpreise bei der aktuellen Marktlage nicht sinken.“
Die Wirtschaftslage befindet sich im Wandel und die Zeichen der Zeit stehen auf Verunsicherung. Doch das Kernproblem unserer Region bleibt weiterhin ungelöst. Es gibt zu wenig Wohnraum. Die aktuellen Gegebenheiten machen Bauen teurer, sodass in den nächsten Jahren mit weniger Fertigstellungen von Neubauten zu rechnen ist als in den vergangenen Jahren. Dabei brauchen wir dringend Wohnraum. Die steigenden Energiepreise und Zinsen machen es für viele Menschen schwerer Eigentum zu erwerben. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach wertstabilen Anlagemöglichkeiten. Aufgrund dessen sind negative Auswirkungen auf die Preise in Stuttgart und der Region nicht zu erwarten.
„Nach wie vor sind Wohnimmobilien auch zur Jahresmitte stark nachgefragt.“
Trotz steigender Preise und Zinsen ist der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ungebremst hoch. Das Ziel, mehr Menschen zu Wohneigentum zu verhelfen, wird in Deutschland jedoch zunehmend erschwert. Die Kaufpreise werden 2022 erneut leicht steigen. Zudem erschweren den Kauf bereits gestiegene Zinsen, als auch teils dramatisch zugelegte Baupreise. Höhere energetische Auflagen wie z.B. die Solarpflicht bei der Dachsanierung sorgen dafür, dass der Preisanstieg tendenziell weitergeht. Viele gewerbliche Anbieter von Bauprojekten verkaufen ihre Mehrfamilienhäuser oder Stadtquartiere nicht mehr an Einzelkäufer, sondern en bloc an Fonds oder Versicherer. Dies verschärft die Situation weiter, da das Angebot an Immobilien weiter abnimmt.
Eugen Mönig
Geschäftsführer
Mönig Immobilienmanagement GmbH
Foto: Mönig Immobilienmanagement GmbH
Sascha Braun
Geschäftsführer der P Immobilien Beratung GmbH
Foto: P Immobilien Beratung GmbH
„Gerade jetzt, da unser Alltag von globalen Ereignissen wie Krieg, Inflation und rekordverdächtigen Zinsanstiegen geprägt ist, sehnen sich die Menschen nach finanzieller Sicherheit.“
Vor diesem Hintergrund stellen Bestandsimmobilien – insbesondere in wirtschaftsstarken Regionen wie dem Großraum Stuttgart – nach wie vor eine wertstabile Investition dar. Allerdings sind einzelne Angebote hinsichtlich der Preisobergrenzen mittlerweile kritisch zu bewerten. Zudem sollte trotz der aktuell positiven Marktlage mehr denn je auf Objektqualität und Lage geachtet werden. Darüber hinaus müssen Verbraucher, die eine Finanzierung planen, in den kommenden Wochen mit weiter steigenden Zinsen rechnen.