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Experten-Umfrage

Steigende Bauzinsen: Wie geht es weiter?

Der deutsche Immobilienmarkt zeichnet sich schon länger durch hohe Kaufpreise und extrem niedrigen Bauzinsen aus. Auch die Corona-Pandemie konnte daran nichts ändern. Allerdings gibt es bereits heute zwei Anzeichen dafür, dass es im nächsten Jahr doch noch zu einer Trendwende kommen könnte: Die Inflationsanzeichen mehren sich und die Renditen für die Staatsanleihen ziehen an. Nimmt die Inflation zu, rechnen viele mit einer Verdoppelung der Zinsen auf bis zu 1,25 Prozent.

Was für alle Betroffenen bedeuten würde: Liegt die jährliche Zinsschuld mit einem Zins von 0,8 Prozent für einen Kredit von 500.000 Euro heute bei 4.000 Euro, stiege diese Schuld bei einem Satz von 1,3 Prozent bereits auf 6.500 Euro. Was im Ergebnis eine Differenz von 25.000 Euro ergeben würde, hochgerechnet auf 10 Jahre.
Doch kommt die Zinswende? Angesichts der langen Phase mit niedrigen Zinsen gibt es immer wieder Warnungen vor sprunghaften Anstiegen. Doch dafür gibt es keine Anzeichen. Allerdings könnte es mittelfristig zu steigenden Bauzinsen kommen. Bauherren oder Immobilienkäufer sollten von daher die Zinsprognose 2021 im Blick behalten.

Experten sehen kurzfristig keine steigenden Zinsen, frühestens mittelfristig eine leichte Aufwärtsbewegung. Als Schrittmacher für Bauzinsen gilt die Entwicklung der 10-jährigen Bundesanleihe. Zum Jahresbeginn 2021 lag die Rendite im Minusbereich. Da sich die Bauzinsen an den Bundesanleihen orientieren, ist ein entsprechend niedriges Niveau zu erwarten. Das heißt, falls sich die Rendite der Bundesanleihen nicht erhöht, dürften auch die Bauzinsen entsprechend niedrig bleiben. Wie die Bauzinsenentwicklung 2023, 2025 oder auch 2030 aussieht, lässt sich dagegen nicht abschätzen. Zu groß sind die Unsicherheiten.

Die Europäische Zentralbank EZB spricht weiter von Kontinuität im Niedrigzinskurs, was durch die Folgen der Corona-Krise noch bestärkt wird. Vor 2022 wird der Leitzins wohl nicht steigen, was den Rahmen für die Zinsentwicklung setzt. Auch nach dem Ausscheiden von Mario Draghi und dem Amtsantritt seiner Nachfolgerin als EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Herbst 2019 hat es keine neue Politik der Zentralbank gegeben. Auch der Ankauf von Staatsanleihen zur Unterstützung der Wirtschaft in Europa wird fortgesetzt.

Diese Frage ist für künftige Bauherren genauso wichtig wie für Käufer von Bestandsimmobilien oder für eine bevorstehende Anschlussfinanzierung. Den richtigen Zeitpunkt beim Immobilienkredit zu erwischen bringt tausende Euro – der falsche Zeitpunkt kostet ebenso viel. Es gibt also eine Menge an Faktoren und Einflüssen, denen die Zinsentwicklung unterliegt und die eine Prognose entsprechend schwierig machen.

smartLiving hat Experten dazu befragt:

• Wie sieht die Bauzinsen-Entwicklung
für 2021/2022 aus?
• Wie sieht die weitere Entwicklung aus?
• Wie kann man niedrige Bauzinsen
langfristig sichern?
• Wann besteht Handlungsbedarf?

Lesen Sie nun bitte im Folgenden, was die befragten Experten dazu meinen, denn sie geben neben ihren Prognosen auch noch wertvolle Hintergrundtipps über die aktuelle Marktsituation.

„Jetzt gilt es, die historisch niedrigen Zinsen langfristig zu sichern.“

Mit Blick auf die weiterhin expansive Geldpolitik dürften die Darlehenszinsen auch in diesem Jahr auf einem niedrigen Niveau stagnieren. Wie nachhaltig dieser Trend ist, ist schwer abzusehen. Mittelfristig ist mit einem Anstieg der Leitzinsen und damit auch der Kreditzinsen zu rechnen. Die niedrigen Zinsen in der Baufinanzierung tragen aktuell sicher zu einer ungebremst hohen Nachfrage nach Wohneigentum bei. Die Immobilienpreise sind in den ersten Monaten des Jahres 2021 im bundesweiten Durchschnitt weiter gestiegen. Eine Immobilienfinanzierung ist eine weitreichende und langfristige Entscheidung. Daher empfehle ich jedem Kaufinteressenten, sich einen erfahrenen Finanzierungsspezialisten an die Seite zu holen und sich die historisch niedrigen Zinsen langfristig zu sichern. Dies geht für bestehende Darlehen, Neufinanzierungen und auch für geplante Käufe in der Zukunft.

Johannes Koch,
BW-Bank, verantwortlich für die Abteilung Privatkunden Kredit

Foto: BW-Bank

Johannes Kube
Niederlassungsleiter Privat- und Unternehmerkunden
Commerzbank Stuttgart

Foto: Commerzbank Stuttgart

„Die Immobilienpreise sind kräftig gestiegen und werden weiter spürbar zulegen.“

Die Immobilienpreise [in der Region Stuttgart] sind kräftig gestiegen und werden weiter spürbar zulegen. Dies liegt zum einen am Unterangebot, denn die Nachfrage durch Nachzug und mehr Single-Haushalte wächst weiterhin kräftig. Aber auch die grundsätzlichen Treiber bleiben erhalten: Die EZB macht Kredite für Häuslebauer günstig und andere Investitionen für Anleger unrentabel. Denn sie hat im Zuge der Corona-Pandemie die Geldschleusen eher noch weiter geöffnet und damit die Zinsen zunächst weiter gedrückt. Seit Jahresanfang sind die Bauzinsen aber bereits moderat gestiegen. Wegen höheren Inflationserwartungen gehen wir davon aus, dass dieser Trend vorerst anhält. Das Zinsniveau bleibt aber immer noch historisch niedrig. Um sich die niedrigen Zinsen jetzt langfristig zu sichern, empfehlen wir lange Zinsbindungen einzugehen. [Die Dauer der Zinsfestschreibung sollte sich immer an die jeweiligen Kundenbedürfnisse anlehnen.] Auch bestehende Zinsbindungen abzusichern, kann ratsam sein, beispielsweise durch den Abschluss eines Forward-Darlehens. Dies ist bereits Jahre vor dem Zinsablauf möglich – insgesamt bis zu 60 Monate.

„Die gute Nachricht für Bauherren und Immobilienkäufer ist, dass wir bei den Hypotheken 2021 keinen deutlichen Zinsanstieg erwarten …“

Die gute Nachricht für Bauherren und Immobilienkäufer ist, dass wir bei den Hypotheken 2021 keinen deutlichen Zinsanstieg erwarten und sich die Bauzinsen bis Mitte 2022 voraussichtlich seitwärts bewegen. Das niedrige Zinsniveau sorgt dafür, dass Wohneigentum in Deutschland trotz höherer Preise erschwinglich bleibt. Um sich die günstigen Zinsen langfristig zu sichern, empfiehlt es sich, eine längere Zinsbindung zu vereinbaren, z.B. 15 oder 20 Jahre. Immobilieneigentümer, bei deren Finanzierung in den nächsten Jahren die Zinsbindung ausläuft und die eine Anschlussfinanzierung benötigen, sollten über ein Forward-Darlehen nachdenken, um die aktuell günstigen Konditionen bereits für die Zukunft festzuschreiben. Die Kreditnehmer machen sich so unabhängig von der Zinsentwicklung und die Anschlussfinanzierung wird plan- und berechenbarer.

Eva Grunwald
Leiterin Immobiliengeschäft für Privat- und Firmenkunden
in Deutschland,
Deutsche Bank

Foto: Deutsche Bank

Roland Lenz
Spezialist für Baufinanzierung
Dr. Klein, Stuttgart

Foto: Dr. Klein, Stuttgart

„Für die Region sehe ich alles – nur keine Immobilienblase.“

Günstiger wird’s nicht mehr – die Bauzinsen geben 2021 nicht mehr nennenswert nach, von kurzfristigen Schwankungen einmal abgesehen. Wahrscheinlicher ist ein Zinsanstieg bis weit in das zweite Halbjahr des Jahres hinein. Sollte dies passieren, ist das Aufwärtspotenzial aber begrenzt. Derzeit ist nicht absehbar, wann die EZB aus ihrer ultralockeren Geldpolitik aussteigt, und solange bleiben auch die Baufinanzierungszinsen auf einem sehr niedrigen Niveau, mit höchstens moderaten Anstiegen. Günstige Konditionen in Verbindung mit mangelnden Anlagealternativen verstärken die Nachfrage nach Wohneigentum. Gleichzeitig ist es für viele Besitzer nicht interessant, ihre Immobilie zu verkaufen, denn es fehlt an guten Optionen, den Erlös renditeträchtig anzulegen. Die Folge sind angespannte Immobilienmärkte und weiter steigende Preise.

„Die Bauzinsen werden weiter ansteigen, aber im historischen Vergleich sehr niedrig bleiben.“

Die Bauzinsen werden weiter ansteigen, aber im historischen Vergleich sehr niedrig bleiben. Wir haben die Tendenz zum Zinssprung bereits im Herbst 2020 gesehen und prognostiziert. Denn es war immer klar, dass die Zinsen wieder etwas zulegen werden, sobald die Wirtschaft sich aus der Schockstarre durch die Pandemie löst. Mit der Produktion des Impfstoffes und den bereits einsetzenden ersten Erfolgen der Impfprogramme wird diese Erholung weiter voranschreiten. Dass die Zinskurve jedoch flach bleibt, dafür sorgen die Notenbanken mit ihrer Politik der massiven Anleihekäufe. Und diese werden sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern. Auch wenn wir jetzt Tendenzen zum Zinsanstieg sehen, bleibt Baugeld im historischen Kontext mit Bestkonditionen unter der Ein-Prozent-Marke günstig. Kein Grund zu übereilten Handlungen.

Mirjam Mohr
Vorständin für das Privatkundengeschäft der Interhyp AG

Foto: Interhyp

Christopher Gentzcke
Abteilungsdirektor ImmobilienCenter der Kreissparkasse Ludwigsburg

Foto: KSK Ludwigsburg

„Das aktuelle Zinsniveau ist auch nach dem leichten Anstieg in den letzten Wochen historisch niedrig und pendelt seit ca. 2 Jahren auf diesem Niveau.“

Das aktuelle Zinsniveau ist auch nach dem leichten Anstieg in den letzten Wochen historisch niedrig und pendelt seit ca. 2 Jahren auf diesem Niveau. Aufgrund der Diskussion um eine spürbare Konjunkturbelebung und eine damit einhergehende Inflationserwartung ist zu sehen, dass die Zinsen derzeit stärker schwanken. Aber auch wenn die Zinsen etwas ansteigen sollten, ist das absolute Niveau immer noch sehr niedrig. Eine starke Zinssteigerung sehe ich kurzfristig im Euroraum nicht. Sowohl die EZB wie auch die amerikanische Fed haben bei ihren jüngsten Sitzungen im April die ultralockere Geldpolitik aktuell bestätigt. Für Immobilienkäufer und Bauherren ist das Zinsniveau nach wie vor äußerst attraktiv und sollte entsprechend der persönlichen Bedürfnisse gesichert werden. Die Kreissparkasse Ludwigsburg bietet hierfür Konzepte von variablen Zinsen bis hin zur Zinssicherheit für die gesamte Laufzeit der Baufinanzierung.

„Die Preise und damit die Inflation steigen wieder an.“

Die Preise und damit die Inflation steigen wieder an. Das ist nichts Besorgniserregendes, sondern die Rückkehr zu einer gesunden, wirtschaftlichen Entwicklung.
Wenn die Inflation steigt, werden die Zinsen folgen. Steigende Zinsen verteuern aber nicht nur die Baufinanzierungen, sondern werden den weiteren Preisanstieg von Immobilien nachhaltig verlangsamen. Wer die aktuell niedrigen Zinsen sichern möchte, könnte die Kombination einer Vorfinanzierung mit nachgelagertem Bauspardarlehen oder das klassische Forward-Darlehen wählen. Den nächsten Beratungstermin sollten Investoren aber nicht auf die lange Bank legen.

Tilmann Speck
Geschäftsführer
PLAN F Finanzdienstleistungen GmbH

PLAN F Finanzdienstleistungen

Heike Frühwirth
Private-Banking-Betreuerin und Finanzierungsexpertin bei der Südwestbank Stuttgart

Foto: Südwestbank Stuttgart

„2021 wird es keine nennenswerten Zinsveränderungen geben.“

2021 wird es keine nennenswerten Zinsveränderungen geben. Die EZB wird die Zinsen weiterhin niedrig halten. Eine Zinswende sehen wir deshalb kurz- bis mittelfristig nicht. In Trend-Metropolen wie Stuttgart stiegen die Kaufpreise 2020 durchschnittlich um 9 %. Das Umland verzeichnete sogar Zuwächse von 15–20 %. Das Kaufpreis-Miet-Verhältnis wird zunehmend schlechter, das Investment in Immobilien somit riskanter. Bei in den nächsten Monaten endenden Zinsbindungen lohnt sich eine Folgezinsvereinbarung mit Festschreibungen von mehr als 10 Jahren. Das Niveau ist im Moment extrem günstig. Zur Beurteilung der aktuellen Zinssituation und des individuellen Handlungsbedarfes bieten wir unseren Kunden regelmäßige Gespräche an.

„Es spricht vieles dafür, dass die Baufinanzierungszinsen auch in 2021 weiterhin noch günstig bleiben.“

Es spricht vieles dafür, dass die Baufinanzierungszinsen auch in 2021 weiterhin noch günstig bleiben. Zwar sind die Bauzinsen in den letzten Wochen/Monaten etwas angestiegen, doch eine Trendwende sehen wir noch nicht. Die Konjunktur und Inflation im Euroraum treten auf der Stelle. Wir erwarten zunächst ein etwa gleichbleibendes Zinsniveau, auf Jahressicht sehen wir die Möglichkeit, dass die Zinsen moderat ansteigen können. Auch bei einer leichten Erholung der Zinsen werden diese auf einem niedrigen Niveau verbleiben. Die historischen Tiefstände dürften jedoch vermutlich leider hinter uns liegen. Der Markt für private Wohnimmobilien ist weiterhin von einem deutlichen Nachfrageüberhang geprägt, was sich durch die niedrig bleibenden Zinsen wenig verändern wird. Die durchschnittliche Preisentwicklung/-anstieg für Wohnimmobilien dürfte sich in den Ballungsgebieten etwas verlangsamen, dafür werden die Preise für Immobilien im Umland und vielen ländlichen Gebieten tendenziell verstärkt ansteigen.

Rudolf Dürr
Bereichsleiter Kreditcenter Markt
BBBank eG Filiale Stuttgart

Foto: BBBank Filiale Stuttgart