Solarpflicht soll den Schub bringen
Baden-Württemberg schreitet voran und verpflichtet Bauherren, auf den Dächern Photovoltaikanlagen zu installieren – Sonnenenergie soll zur treibenden Kraft für die Energiewende werden.
Dächer von Neubauten sind der ideale Ort für neue Photovoltaikanlagen. Sie bieten ein riesiges Potenzial für die Energiewende. Das hat auch die deutsche Politik erkannt, diskutiert wird über eine bundesweite Solarpflicht. Derzeit gleicht das Land allerdings noch einem Flickenteppich. Baden-Württemberg marschiert hier voran: wer dort ein neues Haus bauen will, muss ab dem 1. Mai 2022 eine Solaranlage auf dem Dach installieren lassen. Ab Januar 2023 gilt das dann auch bei einer grundlegenden Dachsanierung von Bestandsgebäuden. Die Photovoltaik(PV)-Pflicht gilt dann auch für größere Parkplätze ab 35 Stellplätzen, bisher lag die Zahl bei 75 Stellplätzen.
Geregelt ist die PV-Pflicht im geänderten Klimaschutzgesetz der grün-schwarzen Landesregierung, das der Landtag Anfang Oktober beschlossen hat. Außer Grünen und CDU hatte auch die SPD zugestimmt, FDP und AfD votierten dagegen. Sie kritisierten, die Solarpflicht sei unsozial und werde das Bauen und Wohnen verteuern. Tatsächlich führt die Erweiterung der PV-Pflicht insbesondere beim Neubau von Wohngebäuden und bei grundlegenden Dachsanierungen zu höheren Bauausgaben von Privaten. Die Befürworter argumentierten, dass den Mehrausgaben Einnahmen durch Stromeinspeisung oder Direktvermarktung gegenüberstehen beziehungsweise Stromkosteneinsparungen durch Eigenverbrauch und im Falle der Beteiligung Dritter auch Pachterträge.
Mehrkosten werden auf jeden Fall bei den unteren Baurechtsbehörden in den Landkreisen anfallen. Die Ausweitung der PV-Pflicht verursacht einen höheren Verwaltungsaufwand. Die unteren Baurechtsbehörden werden im Regelfall für die Überwachung der Einhaltung der Pflichten sachlich zuständig sein.
Mit dem Gesetzentwurf sollen die bisherigen Klimaschutzziele des Landes auf das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis zum Jahre 2040 nachjustiert werden. So steht in der Sitzungsvorlage des Landtages: „Das Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg soll nicht mehr nur eine ambitionierte Reduzierung von Treibhausgasemissionen bezwecken, sondern auf die Herbeiführung von Klimaneutralität im Land gerichtet sein. Als langfristiges Ziel löst die Netto-Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2040 aus diesem Grund das seither bestehende Reduktionsziel von 90 Prozent bis zum Jahr 2050 ab.“
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker hat vor diesem Hintergrund beim jüngsten Solarbranchentag in Stuttgart für eine bundesweite Photovoltaik-Pflicht auf allen Neubauten geworben. „Die Sonnenenergie muss wieder zur treibenden Kraft für Energiewende und Klimaschutz werden“, sagte sie.
Auf dem Solarbranchentag, der seit 2014 vom Solarcluster Baden-Württemberg und dem Umweltministerium veranstaltet wird, hob die Klimaschutzministerin die Dringlichkeit des Ausbaus der erneuerbaren Energien, speziell von PV- und Windanlagen, in Deutschland hervor.
„Mit der Erweiterung der PV-Pflicht auf alle Neubauten und bei grundlegenden Dachsanierungen im neuen Klimaschutzgesetz hat die Landesregierung ihre bundesweite Spitzenposition beim Klimaschutz weiter ausgebaut“, betonte Walker. „Ich hoffe, dass weitere Länder nachziehen werden und auch die neue Bundesregierung die PV-Pflicht im Koalitionsvertrag aufnehmen wird. Nur mit einer Energieversorgung aus regenerativen Quellen können wir unsere Klimaziele erreichen und unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützen.“
Auch Ralf Hofmann, Vorsitzender des Solar Cluster Baden-Württemberg e.V., erläuterte, warum die Photovoltaik die Technologie für klimafreundliche Energieversorgung sei. Er sagte bei der Veranstaltung in Stuttgart: „Wir können sofort deutlich mehr PV-Anlagen installieren – auf Dächern, Freiflächen und an Fassaden. Dafür braucht es bessere und verlässliche Rahmenbedingungen auf Landes- sowie insbesondere auf Bundesebene. Dann kann die Photovoltaik auch Sektorenübergreifend im Zusammenspiel mit Elektromobilität und grünem Wasserstoff das Potenzial voll entfalten.“
Die Lage in Deutschland
Berlin und Hamburg machen Solaranlagen auf Neubauten ab 2023 zur Pflicht, in einigen anderen westdeutschen Bundesländern sind entsprechende Pläne weit gediehen. Das alles ist Zukunftsmusik, aber wie wird das Solarpotenzial auf den Dächern der 14 größten deutschen Städte derzeit ausgeschöpft? Das Ergebnis des LichtBlick Solarchecks 2021 ist ernüchternd: Der Solarfaktor – das Verhältnis der Fläche neu errichteter Solaranlagen zu neu gebauten Dachflächen – liegt in 8 der 14 Metropolen unter 30 Prozent.
Große regionale Unterschiede: Essen top, Hamburg flop
Die regionalen Unterschiede in Sachen Solarfaktor sind enorm. In der Ruhrgebietsmetropole Essen liegt er bei knapp 63 Prozent, in Köln bei gut 47 Prozent und in Leipzig bei 46,5 Prozent. Der Berliner Solarfaktor beträgt lediglich etwa 15 Prozent, in Frankfurt sind es knapp 12 und in Hamburg sogar nur gut 10 Prozent. Die Elbmetropole ist damit zum zweiten Mal nach 2020 Schlusslicht des Solarchecks. Das könnte sich jedoch ab 2023 ändern, wenn die besagte Solarpflicht in der Hansestadt in Kraft tritt. „Dächer sind die grünen Kraftwerke der Zukunft. Hier kann Klimaschutz bezahlbar und verbrauchernah realisiert werden“, bestätigt Ralf Schmidt-Pleschka, Koordinator Klima- und Energiepolitik beim Ökostromanbieter LichtBlick. Derweil könnte eine Verpflichtung bei Neubauten in der nächsten Legislaturperiode auch im Bund zum Thema werden.
Ausschlaggebend sind große Dachanlagen
Auffällig bei den Ergebnissen des Solarchecks ist auch, dass ein guter Solarfaktor oft auf den Neubau weniger großer Dachanlagen zurückgeht. So machen in Leipzig, Bremen, Dortmund und der Siegerstadt Essen solche Anlagen mit einer Leistung von mindestens 100 Kilowatt über die Hälfte des gesamten Photovoltaik-Neubaus aus. Solarmodule auf neuen Mehrfamilienhäusern oder kleineren Gewerbebauten sind dagegen auch in den gut platzierten Städten eher die Ausnahme.
Beim Heizen setzen Bauherren auf erneuerbare Energien
Was die Beheizung eines Gebäudes anbelangt, setzen Bauherren heute schon auf erneuerbare Energien. Gut zwei Drittel (68,8 %) der im Jahr 2020 in Deutschland neu gebauten Wohngebäude werden ganz oder teilweise damit beheizt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stieg dieser Anteil gegenüber 2019 (67,2 %) erneut leicht an. Im Jahr 2015 hatte er noch bei 61,5 % gelegen. Als primäre, also überwiegend für das Heizen eingesetzte Energiequelle, wurden erneuerbare Energien im Jahr 2020 erstmals in mehr als der Hälfte (50,5 %) der insgesamt 112.935 neuen Wohngebäude eingesetzt (2015: 38,0 %).
Zu den erneuerbaren Energien bei
Heizungen zählen Wärmepumpen (Geothermie oder Umweltthermie), Solarthermie, Holz, Biogas/Biomethan sowie sonstige Biomasse. Zu den konventionellen Energieträgern zählen Öl, Gas und Strom. Fernwärme stellt eine weitere Energiequelle dar, die in der Statistik weder zu den erneuerbaren noch zu den konventionellen Energieträgern gezählt wird.
Wärmepumpen liegen im Trend
Die wichtigste primäre Energiequelle für die Heizung waren Wärmepumpen. Sie wurden in 45,8 % der neuen Wohngebäude als Primärenergiequelle genutzt (2015: 31,4 %). Wärmepumpen zählen zu den erneuerbaren Energien und kommen bei der Energiegewinnung mittels Geo- und Umweltthermie zum Einsatz.
Gasheizungen weiter rückläufig
Als zweitwichtigste primäre Energiequelle wurde in 39,0 % der Neubauten der konventionelle Energieträger Erdgas eingesetzt. Der Anteil von Gasheizungen nahm in den letzten Jahren kontinuierlich ab. 2015 lag er noch bei 51,5 %. Primär mit Fernwärme beheizt wurden 8,0 % der neuen Wohngebäude (2015: 7,8 %). Ölheizungen wurden dagegen nur noch in 776 neuen Wohnhäusern als Primärheizung eingesetzt, das waren nur 0,7 % der Neubauten (2015: 1.195 beziehungsweise 1,1 %). Wurde in neuen Wohngebäuden eine weitere (sekundäre) Energiequelle eingesetzt, waren dies bevorzugt die erneuerbaren Energieträger Solarthermie (14,5 %) und Holz (13,2 %).
© Autor: Karl Gutbrod/djd
Bild 1: Ausgerechnet die beiden größten deutschen Städte Berlin und Hamburg zählen zu den drei Kommunen mit der niedrigsten Solarquote;
Bild 2: Essen top, Hamburg flop: In der Ruhrgebietsmetropole erreicht der Solarfaktor einen Wert von knapp 63 Prozent, in der Hansestadt liegt er bei lediglich gut zehn Prozent.
Grafiken: djd/LichtBlick SE