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Wohnen auf kleinstem Raum –

Mikrohofhaus in Ludwigsburg

Der Hugo-Häring-Preis ist einer der anerkanntesten Architekturpreise in Deutschland. Er steht für vorbildliches Bauen, was sich nicht allein auf den rein ästhetischen Aspekt beschränkt. Vorbildlich Bauen bedeutet auch sozialkonform zu bauen. Architektur, die Lösungen findet für die Fragen und Probleme unserer Zeit, was Urbanität und Wohnraum betreffen.
Das smartLiving Magazin will in den nächsten Ausgaben Beispiele vorstellen, die hinsichtlich beider Aspekte überzeugen. Projekte, die ästhetische Ansprüche genauso erfüllen, wie sie Anregungen oder bereits Antworten auf die Herausforderung urbaner Verdichtung geben.

Einen ganz besonderen Ort für ein Mini-House hat das Architekturbüro Atelier Kaiser Shen in Stuttgart vorübergehend gefunden.  Der Bauplatz, auf dem das Mikro-hofhaus steht, ist unwirtlich: auf der Sternkreuzung, einer lärmumspülten Grüninsel inmitten von Ludwigsburg. Sie ist umfahren von vielen Tausend Fahrzeugen täglich und wird von Fußgängern im Eiltempo überquert, um entweder ins Grün der Bärenwiese oder in die Fußgängerzone der Innenstadt zu gelangen. Zu dem ungewöhnlichen Platz ist es durch den ersten Platz eines Wettbewerbs gekommen, den die Stadt Ludwigsburg ausgeschrieben hatte.
Das Mikrohofhaus steht für eine neue Herangehensweise an das Thema „Wohnen auf kleinstem Raum“, das
immer mehr in den Fokus urbaner  Planung rückt. Diese ungewöhnliche Wohntypologie erreicht ihre Qualität durch eine konsequente Abgrenzung vom Außen und schafft dadurch überraschend eine Privatheit im Inneren.

 

Wohnen auf einer Verkehrsinsel
Das Mikrohofhaus der Architekten Kaiser Shen lebt von der Spannung von Innen und Außen. Nur ein kleines, quadratisches Fenster verweist darauf, dass sich hinter dem rundum geschlossenen, schwarzen Objekt Leben verbirgt. Der schneckenförmige Zugang führt zu dem 7,3 Quadratmeter großen Mini-Haus. Wohnzimmer, Bad, Küche und Schränke sind in einer Tiefe von 85 Zentimetern entlang der Rückwand untergebracht, aus der nach Bedarf ein Esstisch und ein Bett gefaltet werden können. Gartenseitig bleibt dadurch eine großzügige, multifunktional nutzbare Grünfläche entlang der Fassade. Der Garten wird Bestandteil des Wohnraums: Im Winter durch große Glaselemente abgetrennt, wachsen im Sommer durch Öffnen der Scheibe Innen- und Außenbereich zusammen.
Der Innenraum wird optisch bis zur angrenzenden Mauer wahrgenommen. Somit entsteht eine eigene Welt innerhalb der Mauern. Nur durch das kleine quadratische Küchenfenster entsteht Blickkontakt nach außen.
Die schlichte Außenraumgestaltung wird von einer asymmetrisch angeordneten Felsenbirne gegliedert. Der Brunnen im Garten ist nicht nur ein landschaftliches Element, sondern bildet gemeinsam mit der Mauer eine wirksame Akustikmaßnahme gegen den Straßenlärm. Die Holzrahmenbauwände aus Fichte-Dreischichtplatten liegen auf dem massiv wirkenden Sockel auf und schweben 20 cm über dem Garten, wodurch sie extrem leicht wirken. Die warme Holzoptik im Inneren wird durch das schwarze Wellblech der Außenfassade kontrastiert.
Das kompakte Mikrohofhaus stellt somit einen Beitrag zum immer knapper werdenden Wohnungsbedarf dar und ist eine Anregung, unwirtliche Restflächen nachzuverdichten.
„Mit dem Mikrohofhaus wollten wir eine Antithese zum klassischen Mikrohaus schaffen. Die herkömmlichen Entwürfe zeigen kleine, nach außen gerichtete Häuser, die wunderbar in der freien Landschaft funktionieren. Allerdings bietet ein solcher Typus keine Privatsphäre und stellt somit kein Beitrag zur Nachverdichtung der Stadt dar“, so Florian Kaiser.

Die Architekten Kaiser Shen beziehen sich in ihrem Raumkonzept auf chinesische und afrikanische Wohnformen. „Beim Entwurf wurden wir von chinesischen Hutongs und marokkanischen Riads inspiriert. Diese Hofhäuser, die wir auf Reisen kennenlernen durften, bieten eine atemberaubende Ruhe im Inneren und somit einen Kontrast zum hektischen Leben außerhalb der Hofmauern“, erklärt Guobin Shen. Der Brunnen im Garten ist nicht nur ein landschaftliches Element, sondern bildet gemeinsam mit der Mauer eine wirksame Akustikmaßnahme gegen den Straßenlärm.

© Autor: Klaus Bossert

Foto: Atelier Kaiser Shen