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Jahressteuergesetz 2022

Erbschaft- und Schenkungsteuer für Wohngebäude steigen

2023 wird die Erbschaft- und Schenkungsteuer für Wohngebäude „um 20 bis 30 Prozent steigen“. Schuld sind neue Berechnungsansätze bei der Wertermittlung, die im Jahressteuergesetz 2022 versteckt sind. Das Problem: die drastische Steuererhöhung soll Ende des Jahres in Kraft treten, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das entsprechende Gesetz wie geplant im Dezember unterzeichnet.
Auch Haus & Grund befürchtet einen drastischen Anstieg der Erbschaft- und Schenkungsteuer bei Immobilien zum Jahreswechsel. Experten sind alarmiert.

Was dahintersteckt
Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 sieht eine drastische Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer für viele Immobilien vor. Bei Wohnhäusern und Eigentumswohnungen dürfte der Anstieg „leicht bei 20 bis 30 Prozent“ liegen, schätzt der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Bei bestimmten, insbesondere (teil-)gewerblich genutzten Immobilien droht wegen der sich ändernden Wert-
ermittlung sogar eine Verdoppelung. Die bisher so gut wie gar nicht beachteten Verschärfungen bei der Wertermittlung sind im Jahressteuergesetzentwurf der Bundesregierung enthalten, über den der Bundestag in den kommenden Wochen berät.
Die Neuregelung soll Ende des Jahres in Kraft treten, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das entsprechende Gesetz wie geplant im Dezember unterzeichnet. Die neuen Regeln zur steuerlichen Bewertung würden vor allem Immobilien betreffen, die im Ertrags- und Sachwertverfahren bewertet werden, sagt Sibylle Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik bei Haus & Grund Deutschland. Das Sachwertverfahren werde vor allem bei Einfamilienhäusern angewendet, das Ertragswertverfahren bei Mietwohnobjekten.

Überblick über die Änderungen im Bewertungsgesetz
Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) selbst wird zwar nicht angetastet. Das Bewertungsgesetz ist jedoch ein wichtiger Bestandteil für die Besteuerung von Immobilien im Erbfall. Schließlich versucht der Gesetzgeber – seit er vom Bundesverfassungsgericht dazu gezwungen wurde – eine Besteuerung von Grundbesitz zum tatsächlichen Verkehrswert zu gewährleisten. Das Bewertungsgesetz gibt diesbezüglich vereinfachte Wertermittlungsverfahren für bestimmte Immobilienkategorien vor.
Nun sollen im Bewertungsgesetz insbesondere das Ertrags- und Sachwertverfahren zur Bewertung bebauter Grundstücke (Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, Gewerbeimmobilien etc.) an die geänderte Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14. Juli 2021 (BGBl. I S. 2805) angepasst werden. Dabei soll sichergestellt werden, dass die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte auf der Grundlage der ImmoWertV ermittelten, sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Modellkonformität weiterhin bei der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer sachgerecht angewendet werden können.

Steigt die Erbschaftsteuer wirklich?
Die genannten Änderungen kommen nicht so überraschend, wie jetzt vielfach beklagt wird. Es bleibt aber abzuwarten, welche Änderungen in welcher Form tatsächlich als Gesetz in Kraft treten und wie diese sich dann ganz konkret auf die steuerliche Wertermittlung auswirken. Im Zweifel wird es dann wohl auf den Steuerberater bzw. Steueranwalt ankommen, der die Erbschaftsteuererklärung anfertigt und versucht, einen möglichst niedrigen Wert gegenüber dem Finanzamt darzulegen – losgelöst von den pauschalen Bewertungsmethoden der Finanzverwaltung und gegebenenfalls auch mit einem Wertgutachten. So ist es bisher auch bei der Erbschaftsteuer für Immobilien.
Viele Immobilien-Erbschaften bleiben ohnehin steuerfrei, weil sie entweder unter den persönlichen Freibeträgen naher Angehöriger liegen, es sich um ein Familienheim handelt, das von der Erbschaftsteuer befreit ist oder aber um Anteile an sogenannten Wohnungsunternehmen, die in den Genuss der Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen kommen.

Bis zu 20 bis 30 Prozent Steigerung der steuerlichen Werte
Barent spricht von „einigen unauffällig wirkenden Stellschrauben, die die Werte, die das Finanzamt ansetzt, gehörig nach oben treiben können“. Allein die Änderung der Ansätze bei den Bewirtschaftungskosten bei Mietobjekten könne schon 10 bis 12 Prozent ausmachen. „Nimmt man alle Stellschrauben zusammen, kommen da leicht 20 bis 30 Prozent Steigerung der steuerlichen Werte zusammen. Bei bestimmten Immobilien kann es sogar zu einer Verdoppelung kommen“, sagt Barent. Das bedeute eine entsprechend höhere steuerliche Belastung, obwohl kein Verkauf, sondern nur eine Übertragung stattfinde. Die Steuererhöhung dürfte viele Betroffene überfordern, so dass Notverkäufe drohen.
Das Bundesfinanzministerium verweist darauf, dass nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Verkehrswert der Besteuerungsmaßstab sei. Mit den Änderungen im Wege des Jahressteuergesetzes 2022 werde das Bewertungsverfahren an die aktuellen Marktverhältnisse angepasst. Im Übrigen bleibe bei den Betroffenen die Möglichkeit zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts unberührt.

Teurer erben statt schönen Wohnens – was auf Hausbesitzer zukommt
Etwas versteckt, aber doch deutlich winken im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 höhere Steuern fürs Erben und Verschenken. Auch ohne, dass eine Steuer in den Wortsinnen erhöht wird. Aber: Wer ein Eigenheim oder Mietshaus besitzt, muss womöglich schnell handeln. Bis Jahresende nämlich. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird – das ist insbesondere bei Gesetzesvorhaben der Fall. Entwürfe landen kaum unverändert in den Gesetzeswerken. Eigentümer und prospektive Erben von Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen dürften dies auch in Hinblick auf das Jahressteuergesetz 2022 erhoffen, das am 14. Oktober erstmals im Bundestag beraten und an den Finanzausschuss überwiesen wurde.
Das Gesetzeswerk wird im Parlament mit dem erfreulichen Einleitungssatz „Staatliche Zahlungen an die Bevölkerung sollen einfacher abgewickelt werden können“ vorgestellt. Dann jedoch kommen eher die folgenschweren Bestandteile, die mit Zahlungen an die Bevölkerung rein gar nichts zu tun haben. Darunter einige Neuregelungen bei der steuerlichen Bewertung von Immobilien. Diese seien aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Änderung bei der Wertermittlung nun in die Steuergesetzgebung einzuführen, begründet das Ministerium seinen Entwurf. Und der hat es in sich.

Bewertung von Häusern: Schluss mit dem jahrzehntelangen Ringen
Es ist trockener Stoff, dieses Werk namens Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14. Juli 2021. Es machte Schluss mit dem jahrzehntelangen Ringen um die Bewertung von Häusern, die bis vor gar nicht langer Zeit noch nach fortgeschriebenen Einheitswerten aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ermittelt wurde. Das Bundesverfassungsgericht stellte dann fest, dass Immobilienwerte auch für steuerliche Zwecke möglichst nahe am „gemeinen Wert“ festgestellt werden müssen.
Dieses, so der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V., Stuttgart, enthält u. a. eine geplante Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes an die Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14. Juli 2021.
Was sich so trocken anhört, so betont Passau, kann ab 2023 für Erben und Beschenkte von Immobilen drastische Auswirkungen haben, da sich die für die Bemessung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer maßgebenden Immobilienwerte durch diese Änderung deutlich erhöhen. So schätzte soeben der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland, dass der Wertanstieg bei Wohnhäusern und Eigentumswohnungen „leicht bei 20 bis 30 Prozent“ liegen dürfte. Bei bestimmten, insbesondere (teil-)gewerblich genutzten Immobilien drohe wegen der sich ändernden Wertermittlung sogar eine Verdoppelung, so Haus & Grund Deutschland. Dies betreffe auch die bislang im Ertragswertverfahren zu bewertenden Mietwohngrundstücke (Mehrfamilienhäuser), betont Passau ausdrücklich!
Das Problem der zu befürchtenden deutlich erhöhten Steuerlast ergibt sich daraus, so Passau, dass dann mit dem geplanten Jahressteuergesetz 2022 zwar die für die Berechnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer geltenden Werte der Immobilen deutlich angehoben, die Freibeträge bei der Vererbung oder Verschenkung jedoch nicht entsprechend angehoben werden. Z. Zt. sind das bei Ehegatten 500.000 Euro sowie bei Kindern 400.000 Euro, bei Vererbung oder Verschenkung an Enkel nur 200.000 Euro. Diese Freibeträge dürften nun insbesondere bei Immobilen in der Großstadt oder Großstadtnähe deutlich überschritten werden, sodass Erben und Beschenkten ab 2023 eine deutlich höhere Steuerlast trifft.
Wer sich daher eh bereits mit dem Gedanken trägt Immobilien z. B. an seine Kinder zu übertragen, sollte sich sputen, betont Passau, und noch dieses Jahr tätig werden. Steuerrechtlich gilt eine Schenkung dann als ausgeführt, wenn die Auflassung in dem (notariellen) Schenkungsvertrag erklärt und die Eintragungsbewilligung der Eigentumsänderung formgerecht abgegeben wurde. Passau empfahl, dies zu beachten sowie ggfs. rechtlichen und steuerlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. auch auf die bundesweit mehr als 700 auf Erbrecht, Erbschaftsteuerrecht und Scheidungsrecht spezialisierten Rechtsanwälte und Steuerberater der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V., www.dansef.de verwies.

Testamente könnten nun plötzlich dringlich werden
Die Preissteigerungen der vergangenen Jahre, vor allem in gesuchten Lagen, tun ein Übriges. So mancher Wohnungs- oder Hausbesitzer konnte in wenigen Jahren eine Verdoppelung der Preise beobachten, die in der Nachbarschaft bei Verkäufen aufgerufen wurden. Wer nicht verkauft oder verschenken wollte, konnte gelassen zuschauen. Kaum jemand jedoch machte sich unmittelbar Gedanken ums Vererben oder die Abfassung eines angepassten Testaments. Das könnte nun plötzlich dringlich werden. Denn die Freibeträge bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer ändern sich keineswegs, was den Wertsteigerungen angemessen wäre. So bleibt es etwa bei einem Freibetrag für direkte Nachkommen von 400.000 Euro. Schon für Enkelkinder halbiert dieser sich. Und: 400.000, das klingt nach sehr viel Geld.

Was es nicht ist, wenn ein eher gewöhnliches Einfamilienhaus in Großstadtnähe beim Bau oder Kauf vor Jahr und Tag diesen Wert hatte – der ist in wenigen Jahren auf mitunter das Doppelte gestiegen. So dass ein direkter Nachkomme beim Erben trotz privilegierter Stellung im Steuergesetz fünfstellige Beträge aufwenden muss – außer, er selbst wohnt im neuerdings so bezeichneten „Familienheim“, und dies für weitere zehn Jahre zum Beispiel. Oder zieht unverzüglich dort ein. Sind die Kinder aus dem Haus, und leben fern der Heimat, hilft alles nichts. Oder auch, falls die Wohnfläche mehr als 200 Quadratmeter beträgt, womit die Komplexität des Erbschaftsteuerrechts noch lange nicht erschöpft ist. Im Zweifelsfall bleibt den Erben nur, den Sachwert des Hauses, wenn möglich, gut belegbar niedriger einschätzen zu lassen.

Konsequenzen für Eigentümer und Erben von gewerblich genutzten Immobilien
Ebenfalls tiefgreifende Konsequenzen haben die Neuregelungen für Eigentümer und Erben von gewerblich genutzten Immobilien und vermieteten Objekten – allerdings, so ein Fachanwalt: „Die genannten Änderungen kommen nicht so überraschend, wie jetzt vielfach beklagt wird“. In der Tat stammt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schon von 2006. Viele Betroffene haben sich allerdings mehr oder weniger darauf verlassen, dass sich in dieser Hinsicht jahrelang nichts Entscheidendes tut, und dies auch weiterhin so erwartet. Nun wird es ernst mit dem angepassten Ertragswertverfahren – etwa für Mietobjekte.
Die neu ermittelten Daten der Finanzverwaltung, etwa basierend unter anderem auf den Festlegungen von Gutachterausschüssen der Kommunen, sollen im Übrigen auch bei der kommenden Neuregelung der Grundsteuer berücksichtigt werden, aber das ist erkennbar eine andere Geschichte. Jedenfalls dürfte eine Eigentumsübertragung ohne fachkundige Unterstützung kaum noch empfehlenswert sein – denn bei ungeschickter Handhabung drohe eine Schenkung teuer zu werden: Ein Steuerberater spricht von der weitgehend unbemerkten stärksten Steuererhöhung seiner langen Laufbahn. Rein formal wird kein Steuersatz angehoben – dass die betroffenen Bürger gleichwohl heftig zur Kasse gebeten werden, ist dennoch Fakt.
Ebenfalls wie beiläufig ändert sich auch Grundsätzliches, was die lineare Abschreibung bei gewerblich genutzten Immobilien angeht. Für Gebäude, die nach dem 1. Januar 2023 errichtet werden, gilt die künftige Abschreibungsrate (AfA) von drei Prozent jährlich (statt bisher zwei Prozent). Das ist vordergründig steuersparend für den Eigentümer. Die angenommene Nutzungsdauer von Häusern sinkt damit aus steuerlicher Sicht von 50 auf 33 Jahre. Danach muss der Steuerbürger neu nachdenken. Inwieweit die Finanzpolitiker damit eine Einschätzung der heutigen Bauqualität abgeben wollten, ist allerdings nicht überliefert.
Fazit: Die neuen Regeln zur steuerlichen Bewertung, die im Jahressteuergesetz versteckt sind, gelten sofort ab Verkündung, betont Sibylle Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik bei Haus & Grund Deutschland. Sie betreffen vor allem Immobilien, die im Ertrags- und Sachwertverfahren bewertet werden. Das Sachwertverfahren wird vor allem bei Einfamilienhäusern angewendet, das Ertragswertverfahren bei Mietwohnobjekten.
Quellen: Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e.V. (DANSEF), Haus & Grund, eigene Recherchen.

©Autor: Dietmar Kern